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Zum Buch "Planet der Habenichtse" von Ursula K. LeGuin

Hier geht es nur um die Beschreibung der Ideen, die Romanhandlung kann jeder selbst nachlesen. Vorgestellt werden mehr oder weniger klar einige Gesellschaftskonzepte. Sehr ausführlich die Odonier, eine anarchistische Gesellschaft nach der Theorie der Dissidentin Odo, auf Anarres, dem Mond des Planeten Urras. Dazu später mehr. Auf Urras selbst gibt es wenigstens drei Staatsformen: den Kapitalismus in A-Io, den zentralistischen Sozialismus in Thu und ein von Kriegen gebeuteltes Benbili, eine Art Entwicklungsland, das aber von A-Io und Thu auch als Kriegsaustragungsort genutzt wird. A-Io hat nach einer Zeit des Raubbaues ein ökologisches Konzept entwickelt, wodurch es die reiche natürliche Ausstattung erhalten konnte. Es gibt eine überaus reiche Oberschicht und eine große bettelarme Unterschicht in Slums. Lohnarbeit und höhere Bildung sind ausschließlich Männern vorbehalten. Weiterhin werden die Erde und der Planet Hain erwähnt, die ebenso wie Urras zu einer Weltenregierung gehören. Hain wird von den Hainish bewohnt, einer uralten Zivilisation, die einfach schon alles probiert hat und nun gütig anderen hilft, z.B. den Erdbewohnern. Diese haben die Erde zerstört, es gibt kaum noch Rohstoffe, sauberes Wasser und fruchtbaren Boden, keine Wälder, viele Wüsten, Hitze, Sturm. Die restlichen Ressourcen werden durch straffen Zentralismus unter den überlebenden ca. 0,5 Mrd. Menschen verteilt.


Anarres

Vor 170 Jahren verließen die aufständischen Odonier den Planeten Urras, um auf Anarres ein Leben nach ihren Vorstellungen zu beginnen. Die Herrschenden von Urras überließen ihnen den Mond, weil sie befürchteten, dass die Odonier auf Urras immer mehr Zulauf bekommen würden und alle Gesetze und Regeln aufgeweicht und Machtzusammenballungen nicht mehr möglich sein würden. Ca. 1 Mio. Odonier besiedelten Anarres. Achtmal im Jahr kamen Raumschiffe aus Urras und brachten Erdölprodukte, Elektronik, Maschinenteile und Pflanzen (zum Versuchsanbau). Sie nahmen begehrte Bodenschätze wie Quecksilber, Gold, Uran usw. mit nach Urras. Inzwischen ist die Bevölkerung auf etwa 20 Mio. angewachsen. Einwanderung ist nicht möglich.

Natürliche Gegebenheiten

"Was ist an sozialer Kooperation, an gegenseitiger Hilfe idealistisch, wenn es die einzige Möglichkeit ist, sich am Leben zu erhalten" Shevek - Hauptfigur des Romans

Anarres bietet ungünstige Lebensbedingungen für Menschen. Die Luft ist dünn, der Regen fällt spärlich, der Wind weht scharf und wirbelt Staub auf. Oft kommt es zu Dürren. An Vegetation herrscht der Holumbaum vor, ein unverwüstliches Gewächs, aus dem die Bewohner Nahrung und Grundstoffe für Kleidung und andere Produkte gewinnen. Die Wassergewinnung ist in manchen Gegenden problematisch. Es gibt drei Meere, die im Gegensatz zum Land üppiges Leben (Fische) enthalten. Manche Gebiete sind oft von Erdbeben betroffen. Es gibt reichlich Erze. Alle Reste und Abwässer werden verarbeitet und genutzt. Das Leben auf Anarres blieb ein endloser Kampf und nur als solidarische Gemeinschaft war das Überleben möglich.

Struktur

Odos Idee des Zusammenlebens bestand in konsequenter Dezentralität in (weitgehend) autarken Kommunen, die mit Kommunikations- und Transportnetzen verbunden sind. Durch die unwirtlichen Bedingungen auf Anarres ergaben sich riesige Entfernungen zwischen den Kommunen. Dies erschwert den Austausch. Die Schaffung von Zentralität z.B. zur Abwicklung der Warenverteilung wurde als notwendig angesehen, gleichzeitig aber auch als Bedrohung für das Gesamtprojekt. Elektroenergie wird über Windräder und Erdwärmegeneratoren gewonnen. Die Computer für Verwaltung, Arbeitsteilung, Warenausgabe und die zentralen Föderativen der Arbeitssyndikate stehen in Abbenay, der größten Kommune mit dem mildesten Klima, einer Quasihauptstadt. Abbenay besteht aus vielen Teilkommunen mit den üblichen Elementen: Werkstätten, Fabriken, Wohnheimen, Dormitorien (Wohnheime für Schulkinder, vergleichbar Internaten), Lernzentren, Versammlungssälen, Verteilungsstellen, Depots, Refektorien (vergleichbar Kantinen, einzige Orte, an denen gegessen wird), Gemeinschaftsbädern.

Besitz

"Willst du einen Menschen zum Dieb machen, mach einen anderen zum Besitzer, willst du Menschen zu Verbrechern machen, mache Gesetze" Odo

"Man kann nicht immer bekommen, was man möchte, nicht einmal das, was man braucht, denn es ist einfach nicht genug da." Shevek

Besitz wird nicht als wichtig erachtet. Nur wenige Menschen sammeln Gegenstände an, die meisten können ihre Habe in einem Koffer wegtragen. Jeder hat ein paar persönliche Sachen (wie groß die Individualität dabei ist, bleibt unklar). Die Kleidung ist schlicht und praktisch, aber scheinbar nicht uniformmäßig, denn es gibt auch Färbereien, die Tücher in vielen Farben herstellen. Was man braucht, holt man sich im Materiallager. Schmuck ist in kleinen Orten üblich, dort gibt es sogar Berufsjuweliere. In Abbenay ist das Prinzip des Nichtbesitzens stärker verbreitet. (Es gibt also auch einen "guten Geschmack", nach dem man sich besser zu richten hat.) Es gibt kein Geld und keinen Tausch, keine Gesetze, keine Regierung. Guten Freunden macht man durchaus kleine Geschenke.

Kinder und Partnerschaft

Die Kinder können sich beliebig Leute aussuchen, die sie tadde (Vater) oder madde (Mutter) nennen. Das Zusammenleben in einer Kleinfamilie über die Säuglingszeit hinaus ist eher unüblich, aber möglich. Eine Ehe mit festgesetzten Rechten und Pflichten gibt es nicht, aber viele Anarresbewohner leben in Partnerschaften, die vielleicht gerade deswegen sehr viel haltbarer sind. Die Arbeitsvermittlung versucht, die Partner nach Möglichkeit nicht oder nur kurz zu trennen, oft ist dies nicht möglich und auch längere Trennungszeiten werden durch die aktuelle Notsituation von den Paaren akzeptiert.

Verwaltung

Es gibt die PDK: Produktions- und Distributionskoordination für alle Syndikate, Förderationen und Individuen, die produktive Arbeit leisten. Freiwillige werden durch Los bestimmt und tun nach einem Jahr Ausbildung vier Jahre Dienst in der PDK. Dadurch soll die Entstehung von Herrschaftsstrukturen verhindert werden. Die PDK wird von Beratern unterstützt, einem Instruktionssyndikat. Die Berater sind nicht gewählt. Syndikate sind abgrenzbare, ortsgebundene Gemeinschaftsunternehmen (Tischler, Bergbau, Färber, Bäcker, Drucker, Theater), die in Versammlungen durch Beschluss selbständig entscheiden. Geleitet werden sie von dem erfahrensten Mitarbeiter. Viele Syndikate sind in themenspezifischen Förderationen zusammengeschlossen, um z.B. die Transporte und den Zugfahrplan sinnvoll abzustimmen zu können.

Arbeit

Arbteil, der zentrale Arbeitsvermittlungscomputer, gibt den Überblick, welche Fachkräfte wo gesucht werden. Die tägliche Arbeitszeit beträgt etwa 5 bis 7 Stunden (in Krisenzeiten 8 h). Pro Dekade sind 2 bis 4 Tage frei. Ein Tag pro Dekade ist für gemeinnützige Arbeit vorgesehen, der Kommuneausschuss oder der Blockausschuss fordert einen dazu auf. Wem diese Arbeiten gut gefallen, kann sie auch dauerhaft ausüben. Gefährliche Jobs sollen nur für ein halbes Jahr ausgeübt werden. Arbeit und Liebe sind das gleiche Wort und werden im allgemeinen auch so empfunden. Im Unterschied dazu gibt es kleggich, die Plackerei, die man aber zeitweise auf sich nimmt, um der Gemeinschaft zu helfen.

Bewegungsfreiheit

Es ist möglich, seine Kommune zu verlassen, wenns einem dort nicht gefällt. Verantwortungsbewusstere warten erst, bis ein anderer ihre Arbeitsstelle übernimmt, andere gehen einfach los. Es ist auch möglich, sich vor dem gemeinnützigen Arbeitseinsatz (Müllverwertung, Reparaturen, Straßenbau usw.) zu drücken. Allerdings werden die Mitbewohner dies auf Dauer nicht akzeptieren und selbst Prügel sind nicht ausgeschlossen. Es gibt auch einige ewige Wanderer (nuchnibi).

Kultur

Es gibt viele Künstler, Musiksyndikate und umherreisende Theatergruppen. Das Theater ist die wichtigste Kunstform.

Krankheit

Zu jeder Kommune oder Teilkommune gehört ein Krankenhaus. Menschen, die ein Verbrechen begangen haben, eine Frau vergewaltigt oder jemanden umgebracht haben (passiert sehr selten), beantragen meist, in die Anstalt auf der Segvina-Insel versetzt zu werden, damit sie dort ruhig weiterleben können und die Gemeinschaft nicht weiter gefährden.

Bildung

Schule wird in Gruppen organisiert, die innerhalb des jeweiligen Lernzentrums je nach Interesse und Vorliebe den Kindern offen sind. Es gibt sehr praktischen Unterricht: Ackerbau, Tischlerei, Abfallverarbeitung, Drucken, Klempnerei, Straßenbau, Stückeschreiben usw., aber auch Tanzen, Sprech- und Zuhörgruppen usw. Wichtigster Grundsatz: Niemand wird für irgend etwas bestraft. Im Studium werden die Vorlesungen auf Verlangen der Studenten, auf Initiative der Lehrer oder von beiden gemeinsam organisiert. Die Studenten denken sich selbst Aufgaben und Problemstellungen aus, die sie beackern wollen. Es gibt keinen Wettbewerb und keine Zensuren. Neben dem Studium nehmen sie an Arbeitseinsätzen teil.

Probleme auf Anarres

Freiheit, Zwang und Realitätsflucht

"Regierung: Die legale Anwendung der Macht zur Aufrechterhaltung und Erweiterung der Macht. Ersetze legal mit gewohnheitsmäßig und du hast das PDK und das Instruktionssyndikat." Bedap - ein Freund von Shevek

"Man kann Ideen ausrotten, wenn man sie ignoriert. Wenn man sich weigert, zu denken, wenn man sich weigert, Veränderungen zu akzeptieren." Bedap

"Wir kooperieren nicht - wir gehorchen. Wir fürchten, ausgestoßen zu werden..." Shevek

Zwar kann man theoretisch Arbeit ablehnen oder niederlegen, entgegen den Konventionen leben usw., aber dagegen steht eine Art Gesellschaftsbewusstsein. Was das ist, diese "herrschende" Meinung, definieren zum Teil die PDK und ihre Berater. Sie haben auch das Vorrecht, Schriften zu veröffentlichen oder abzulehnen, es gibt eine Art PDK-Zeitung. Die Mitmenschen übernehmen die Gesellschaftsmeinung und kritisieren Leute, die gegen diese ungeschriebenen Regeln verstoßen als "propertarisch" oder werfen ihnen vor zu "egoisieren". Der Versuch von Shevek und seinen Freunden, durch ein eigenes Druckersyndikat gegen diese Quasizensur vorzugehen, brachte viel Ärger. Und als das Druckersyndikat auch noch selbständig Kontakt mit Urras (A-Io) aufnahm, was vorher nur der PDK bzw. ihrem Beraterumfeld vorbehalten war, wurden die Anfeindungen in den Versammlungen noch stärker. Als Shevek sogar mit einem Frachtschiff nach A-Io reisen will, wird er von vielen als Verräter und Bedrohung für die Gesellschaft angesehen. Das Mobbing dehnte sich auf alle Familienmitglieder aus. Es gab also ungeschriebene Gesetze, unlegitimierte Machtzusammenballungen. Unliebsame Querdenker wurden manchmal sogar an andere Einsatzorte versetzt. In den Syndikaten erstarrten die Entscheidungsstrukturen. Obwohl offiziell immer noch die Versammlung entschied, gab es durch den Wunsch nach mehr Effizienz erfahrene Leute, denen mehr Macht (Autorität) zugesprochen wurde. Künstler wurden zunehmend argwöhnisch beäugt, vor allem, wenn sie Kunstrichtungen bevorzugten, die nicht dem aktuellen "Gesellschaftsgeschmack" entsprachen. Einige Mitmenschen begannen, Kunstausübung als weniger wichtig zu erachten als ihre eigene praktische Arbeit und forderten die Künstler auf, etwas nützliches zu tun. Auch in der Physik stieß Shevek auf starken Widerstand, als er eine Theorie entwickelte, die der alten widersprach. Die neue wurde als nutzlos und schädlich bezeichnet. Mit jeder Krise (z.B. Hungersnot) wuchs die Macht der Bürokratie, da sich Leute dann besser dirigieren ließen, weil ja Arbeitseinsätze wichtiger wurden. Nach der Krise hatten sich die Leute daran gewöhnt, dirigiert zu werden. Man begann, sich Entscheidungsfreiheit einzureden, wo sie kaum noch vorhanden war. Allgemein wurde es üblich, unkritisch die Gesellschaftsorganisation abzufeiern, statt nach Anzeichen neuer Machtzusammenballungen zu suchen.

Das DDR-Gefühl

Anarres erinnert im Grundgefühl (nicht im Detail) sehr an die DDR, nicht nur, was die Versorgungsprobleme, die soziale Kontrolle, die gesellschaftlichen Dogmen und die fehlende Reisefreiheit betrifft. Die nachfolgenden Generationen kennen den Sinn der alten Regeln nicht aus eigenem Erleben. Aber die meisten fragen auch nicht mehr, sondern richten sich im System einigermaßen bequem ein. Das verhilft den Eliten zu noch mehr Macht. Die "Mauern", die zu Beginn der Besiedlung als sinnvoll angesehen wurden, um eine Intervention von Urras zu verhindern, wurden später, als die Gemeinschaft aufgebaut war, nicht mehr in Frage gestellt. Das Bildungssystem erstarrte, wurde moralistisch, starr, autoritär. Die Kinder lernten, Odos Worte nachzuplappern, statt das eigene Denken. Kritisieren wurde mit "egoisieren" gleichgesetzt. Einige Kinder haben das Gefühl, dass ihnen z.B. über Urras nur das gesagt wird, was dem gängigen Geschichtsbild entspricht, also nur schlechtes. Gleichzeitig wird die Abhängigkeit von den Produkten aus Urras für die Anarresti immer deutlich und auch der Status von Anarres als billige Rohstoffkolonie für A-Io.

Fragen über die es sich meiner Meinung nach nachzudenken lohnt:

  • Gibt es außerhalb von Notsituationen dauerhaft Solidarität?

  • Was würde passieren, wenn Anarres plötzlich reiche Ressourcen hätte?

  • Was würde passieren, wenn die Anarresti frei nach Urras reisen könnten?

  • Kann die Entstehung von Machtzusammenballungen durch eine Struktur dauerhaft verhindert werden?

  • Was würde passieren, wenn mehr als ein paar Menschen die Umsetzung eigener Ideen über die Bedürfnisse der Gemeinschaft stellen? Oder sind die "Bedürfnisse der Gemeinschaft" überhaupt definierbar oder auch nur ein Konstrukt und künstlicher Gegensatz zur individuellen Freiheit?

  • Wie kann eine Theorie (wie die von Odo) weiterentwickelt und breit diskutiert werden, damit sie lebendig und praxisnah bleibt?

  • Gibt es dauerhaften Anarchismus?

  • Kann es ein friedliches Nebeneinander von anarchistischen und archistischen Gesellschaften geben (Anarres hat nicht einmal eine Polizei, geschweige denn eine Armee)?

  • Kann die Schönheit/ das Individuelle auf Dauer dem Praktischen (z.B. gleicher Grundaufbau der Kommunen, reine Zweckmäßigkeit in Architektur, Ausstattung, Kleidung, Essen) untergeordnet werden?

Viele Grüße Uta Knischewski
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