Erste Schritte zur Demokratie
Diese Aussagen, wie auch die Aussagen in den meisten anderen Texten, sind das Ergebnis der Besprechungen in unserer AG Visionen. Sie entstammen nicht wissenschaftlichen Veröffentlichungen.
Demokratie heißt Volksherrschaft. Bei uns herrscht aber nicht das Volk. Die wirtschaftlich Mächtigen haben nämlich den entscheidenden Einfluss auf politische Entscheidungen. Dies geschieht z.B. über personale Verflechtungen (z.B. Aufsichtsratsposten, Wechsel zwischen wirtschaftlichen und politischen Machtpositionen, von Konzernen bezahlte Abgeordnete, von Konzernen entsandte Beschäftigte in den Verwaltungen, die Gesetze und Verordnungen (mit) erarbeiten oder Genehmigungen erteilen). Wirtschaftsverbände erarbeiten Gesetze und Argumentationen. Weiterhin werden Beratertätigkeiten, klassische Lobbyarbeit, Einfluss über die Medien und legale und illegale Parteispenden genutzt. Hinzu kommt noch Kapital-/Steuerflucht/-hinterziehung, was zur Finanznot des Staates führt. Wir leben somit nicht in einer Demokratie, sondern in einem von der Großwirtschaft beherrschten parlamentarischen System.
Demokratie ist aber verwirklichbar. Dazu ist es auch erforderlich, dass die Menschen sich entsprechendes Wissen und entsprechende Fähigkeiten aneignen. Damit die Leute im praktischen Erlernen demokratischer Fähigkeiten einen Sinn sehen und deshalb dazu bereit sind, sollte dies in Zusammenhängen geschehen, in denen gemeinsam Lösungen für ein reales Problem gesucht werden. Diese Lösungen sollten dann zumindest schrittweise umgesetzt werden, da sonst leicht die Motivation für das demokratische Verhalten sowohl bei den Beteiligten als auch den unbeteiligten Beobachtenden nachlassen kann. Solche Zusammenhänge können selbstorganisierte Gruppen (z.B. Bürger(innen)initiativen, -bewegungen und -verbände, Mieter(innen)- und Verbraucher(innen)vereine), gesetzlich geregelte Gruppen (Schüler(innen)-, Studierenden-, Personal- und Betriebsräte usw.), aber auch z.B. Planungszellen, Zukunftswerkstätten und Runde Tische sein.
Planungszellen / Bürgergutachten (
http://de.wikipedia.org/wiki/Planungszelle):
- Zufällig ausgewählte Personen werden über alle relevante Zusammenhänge informiert und treffen gemeinsam eine Entscheidung. In dieser Zeit werden sie von Erwerbsarbeit freigestellt und bekommen eine Entschädigung. Nach der Entscheidung verlieren sie ihre Einflussposition wieder.
- Mehrere Kleingruppen arbeiten parallel am gleichen Thema, um zu sehen, ob die Ergebnisse einheitlich sind.
- Beim nächsten Teilthema werden die Personen zwischen den Gruppen ausgetauscht, damit sich in den Gruppen keine festen Strukturen bilden.
- Nach gegenwärtigem Recht müssen die gefundenen Lösungen noch von den parlamentarischen Gremien (z.B. Landtag) bestätigt werden. Erfahrungsgemäß sind die so gefundenen Lösungen aber wesentlich besser als die direkt von den parlamentarischen Gremien gefundenen.
- Es gibt Widerstand gegen Planungszellen / Bürgergutachten von denjenigen, die um ihre Macht fürchten.
Zukunftswerkstätten (
http://www.jungk-bibliothek.at/ZW_Folder_Online.pdf und
http://www.buergergesellschaft.de/praxishilfen/kreativitaetstechniken/die-techniken/grundlagen/zukunftswerkstatt/103867/):
- Zukunftswerkstätten werden nicht nur zur Bevölkerungsbeteiligung genutzt, sondern auch zur Lösungsfindung in Gruppen.
- Es gibt ein Netzwerk ausgebildeter Personen, die Zukunftswerkstätten moderieren.
- Nicht alle Probleme lassen sich mit Zukunftswerkstätten lösen.
- Zukunftswerkstätten werden teilweise missbraucht, um den Eindruck zu vermitteln, dass die Ergebnisse berücksichtigt werden. In Wirklichkeit werden nur schon vorher feststehende Beschlüsse anschließend umgesetzt.
- Deshalb achten die moderierenden ausgebildeten Personen in solchen Fällen darauf, möglichst nur sinnvolle Zukunftswerkstätten zu unterstützen.
Bürgerhaushalte (
http://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%BCrgerhaushalt) (
http://www.gruene-fraktion-dresden.de/pdf/buergerbroschuere.pdf - umfassendere Informationsbroschüre):
- Wie bei den Zukunftswerkstätten können sich alle Interessierten beteiligen.
- Form der Bevölkerungsbeteiligung, bei der entschieden wird, wofür Geld ausgegeben wird
- In der Millionenstadt Porto Alegre (Brasilien) begann der Bürgerhaushalt vor einigen Jahren mit einigen Hundert Beteiligten. Nach wenigen Jahren beteiligten sich über 100 000 Personen.
- In Dresden bildete sich eine Gruppe aus der Bevölkerung, die sich für einen Bürgerhaushalt einsetzte. Es gab verschiedene Informationsveranstaltungen und Gespräche mit Personen aus dem Stadtrat und der Stadtverwaltung. Insbesondere einige Personen aus der Stadtverwaltung wollten nur Kürzungsvorschläge ermitteln. Dies hat mit einem Bürgerhaushalt nichts zu tun. Wegen diesem massiven Widerstand sind die Initiativen für einen Bürgerhaushalt in Dresden etwas eingeschlafen.
Runde Tische (Vertretungen aller Betroffenen treffen gemeinsam Entscheidungen):
- Im Gegensatz zu Planungszellen / Bürgergutachten (zufällig ausgewählte Personen), Zukunftswerkstätten und Bürgerhaushalten (Interessierte) werden die Teilnehmenden am Runden Tisch von ihren jeweiligen Organisationen entsandt.
- Es besteht die Gefahr, dass wieder die üblichen nach Dominanz strebenden Funktionäre das Wort führen.
- Wenn dies vermieden wird, kann aber die gesammelte Kompetenz der beteiligten Gruppen Lösungen für Probleme im jeweiligen Bereich finden.
- Wenn die politisch Einflussreicheren dies anerkennen, kann damit ein Runder Tisch ein kompetentes Beratungsgremium für die Vorbereitung von Entscheidungen sein.
- Außerdem kann ein Runder Tisch dazu beitragen, dass sich Personen, die am gleichen Thema arbeiten, kennenlernen. Dies kann eine Zusammenarbeit auch außerhalb des Runden Tisches fördern.
Weitere getestete Formen:
- Es wurden mal alle Interessierte, insbesondere die Betroffenen, von Seiten der Stadt aufgerufen, gemeinsam zu besprechen, wie eine Baulücke / ein Schandfleck umgestaltet werden kann.
- Die bisher erwähnten Formen laufen eher über Gespräche. Es gibt auch Formen, bei denen eher gestalterische Fähigkeiten gefragt sind.
- Kinder sollten mal in verschiedenen Gruppen Modelle eines Spielplatzes basteln, den sie sich wünschen. Dies geschah unter Begleitung einer Person, die mit dieser Form bereits Erfahrungen hatte. Aus den so entwickelten Modellen wurde durch Kombination verschiedener vorgeschlagener Spielmöglichkeiten der Plan eines Spielplatzes entwickelt. Dieser wurde gebaut und wird sehr gut angenommen.
Das gegenwärtige Planungsverfahren mit Bevölkerungsbeteiligung läuft dagegen viel undemokratischer ab und sollte deshalb geändert werden:
Wenn ein Planungsbeschluss gefasst wurde, wird er öffentlich bekannt gegeben. Wer davon betroffen ist bzw. sonst das Recht dazu hat, darf dagegen Einwände erheben. Diese werden anschließend erörtert. Dabei dürfen nur diejenigen anwesend sein, die Einwände erhoben haben, bzw. ihre Vertretungen. Im Präsidium sitzen Vertreter(innen) der entsprechenden Behörde und handeln nacheinander die Einwände ab. Dabei können die Einwände abgelehnt oder Änderungen an den Planungen vorgenommen werden. Hinterher gibt es noch einen Beschluss des entsprechenden parlamentarischen Gremiums (z.B. Stadtrat) über die Ergebnisse der Erörterung. Die Entscheidung liegt somit bei der Stelle, die den entsprechenden Planungsbeschluss getroffen hat. Wer von denjenigen, die dagegen Einwände erhoben haben, damit nicht einverstanden ist, kann dagegen klagen. Die Erfolgsaussichten sind aber extrem gering.
Somit wird so getan, als ob es demokratisch zugehen würde. In Wirklichkeit hat das Volk praktisch keinen Einfluss.
Plebiszitäre Elemente / Formen der direkten Demokratie können wesentlich demokratischer sein als das parlamentarische System. Dies gilt auch für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide. Die beiden bisherigen Bürgerentscheide in Dresden zeigen jedoch, dass auch viel falsch gemacht werden kann. Dies führt dazu, dass das Ergebnis ähnlich wie in Parlamenten manipuliert ist. Deshalb sollten plebiszitäre Elemente so realisiert werden, dass dies vermieden wird.
- Zu den plebiszitären Elementen gehören Bürgerbegehren und Bürgerentscheide, Volksanträge, Volksbegehren und Volksentscheide.
- Leider kann über die zu entscheidende Frage nur mit ja oder nein abgestimmt werden. Verbesserungsvorschläge durch das Volk sind praktisch nicht möglich.
- Diese plebiszitäre Elemente brauchen eine gewisse Zeit von dem Beginn bis zur Entscheidung. In dieser Zeit können die zu beschließenden Texte nur in einem sehr eingeschränkten Umfang geändert werden. Es kann also dazu kommen, dass bestimmte Teile beim Entscheid schon überholt sind.
- Es ist nicht ausgeschlossen, dass die abstimmungsberechtigten Personen eines Gebietes falsch über das zu entscheidende Thema und die Konsequenzen informiert werden. Deshalb besteht die Gefahr des Populismus.
- Allerdings handelt es sich um eine Sachfrage. Deshalb ist die Gefahr des Populismus geringer als bei Wahlen, da dort Sachfragen kaum eine Rolle spielen. Zusätzlich können auch die gewählten Abgeordneten falsch informiert werden. Damit sind die Argumente gegen plebiszitäre Elemente erst recht Argumente gegen ein parlamentarisches System.
In Dresden gab es im Zusammenhang mit dem Autobahnbau nach Prag ein Bürgerbegehren mit Bürgerentscheid.
- Hintergrund war ein Stadtratsbeschluss, dass die Stadt Dresden gegen diesen Autobahnbau Einspruch erheben soll. Im Rahmen des Planungsverfahrens konnte die Stadt als Betroffene ihre Meinung äußern. Durch den Bürgerentscheid wurde entschieden, dass sie keinen Einspruch erheben soll.
- Darüber wurde aber nicht richtig informiert. Stattdessen wurde der Eindruck erweckt, dass darüber entschieden wird, ob die Autobahn gebaut wird oder nicht.
- Zusätzlich wurde von den Autobahnbefürwortern so getan, als ob es einen wirtschaftlichen Niedergang in Dresden geben würde, wenn die Autobahn nicht gebaut wird.
- Auch gab es keine klaren Informationen, ob der Autoverkehr in Dresden durch den Autobahnbau zu- oder abnehmen wird.
- Die konkreten Folgen eines Autobahnbaus wurden kaum thematisiert.
Am 27.2.2005 erfolgte ein Bürgerentscheid zur Waldschlösschenbrücke in Dresden.
- Entsprechend einer Idee aus der Schweiz wurde hier wenigstens eine Broschüre erstellt. In ihr hatten die Befürworter(innen) und die Gegner(innen) in etwa den gleichen Platz zur Darstellung ihrer Argumente bekommen. Das Heft sollte an alle Haushalte verteilt werden. Jedoch erhielten viele Haushalte dieses Heft nicht.
- In verschiedenen Medien kamen die Befürworter(innen) und die Gegner(innen) zu Wort. Dabei wurden die jeweiligen Positionen dargestellt und begründet.
- Wie auch beim Autobahnbau gab es in der Stadt außerdem viele Plakate.
- Verbreitet wurde darüber diskutiert, inwiefern die Waldschlösschenbrücke zur Verkehrsentlastung beiträgt. Dies konnte aber nicht geklärt werden. Die Zahlen aus den Planungsunterlagen waren selbst für interessierte Personen, die keine Fachleute waren, nicht nachvollziehbar. Außerdem interpretierten Fachleute (z.B. Verkehrsprofessoren) beider Seiten diese Zahlen völlig gegensätzlich.
Plebiszitäre Elemente / direkte Demokratie erfordern also eine sachgerechte, faire und umfassende Information und Diskussion, damit sie sinnvoll sind. Sonst basiert die Entscheidung auf falschen Aussagen. Dabei ist insbesondere zu beachten:
- Beide Seiten sollten die gleichen Möglichkeiten haben. Insbesondere darf nicht die mächtigere Seite bevorzugt werden.
- Persönliche Angriffe auf die Gegenseite sind zu unterlassen. Sowohl bei den beiden erwähnten Bürgerentscheiden als auch bei dem Bürgerbegehren zur Zukunft der Elblandkliniken (Kreiskrankenhäuser im Altkreis Meißen) war dies eine beliebte Methode der Mächtigeren.
- Dazu gehört auch, dass der Gegenseite keine Argumente unterstellt werden, die sie nicht verwendet. In der erwähnten Broschüre haben dies einige Brückenbefürwortende getan.
- Ebenso sind Suggestivaussagen und sonstige inhaltsleere Parolen (z.B. "Brücken verbinden") zu unterlassen.
- Wenn auf negative Folgen der Position der Gegenseite verwiesen wird, sollte dies möglichst nachvollziehbar begründet werden. Beim Autobahnbau tauchte z.B. ein Plakat auf, mit dem suggeriert wurde, dass ohne Autobahn Dresden in die Steinzeit zurückfällt.
- Überhaupt sollten nur Sachargumente verwendet werden. Diese sollten außerdem auch möglichst leicht nachvollziehbar sein. Nur so kann sich ein Großteil der Bevölkerung ein realistisches Bild verschaffen.
- Im Laufe des Diskussionsprozesses sollte jeweils auf die aktuellen Argumente der Gegenseite eingegangen werden. Wenn dies beide Seiten berücksichtigen, kann sich die Diskussion weiterentwickeln. So besteht die Möglichkeit, zum Kern des Konflikts vorzustoßen. So haben die Menschen die Chance, über den eigentlichen Konflikt zu entscheiden.
- Beim Bürgerentscheid entscheiden auch viele Menschen mit, die von den Folgen nicht oder nur teilweise betroffen sind. Diese sollen relativ einfach die Möglichkeit bekommen, auch die Auswirkungen auf andere Menschen kennenzulernen. So können sie diese Auswirkungen mit in ihre Entscheidung einbeziehen.
Von dieser Vorgehensweise sind wir jedoch noch weit entfernt. Einerseits sind viele Menschen diese nicht gewohnt. Andererseits wollen bestimmte Personen (im Regelfall die Mächtigeren) ihre Position durchsetzen, ohne dass die Bevölkerung über die Hintergründe etwas erfährt. So wird Demokratie stark behindert.
Wenn tatsächlich zum Kern des Problems vorgedrungen wird und es für diesen keine einvernehmliche Lösung gibt, muss ein Entscheid getroffen werden. Dieser kann aber wenigstens unter Beachtung aller Zusammenhänge und Hintergründe erfolgen. Wenn dagegen Lösungen entsprechend des erweiterten Konsensprinzips gefunden werden, ist ein Entscheid überflüssig. Nach dem erweiterten Konsensprinzip wird eine Lösung gesucht, welche die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt.
Gewählte sind den Macht- und Finanzmechanismen unterworfen. Das Einzige, was sie tun können, um wirkliche Veränderungen zuzulassen, besteht in der umfassenden Unterstützung von und der Zusammenarbeit mit entsprechenden Basisorganisationen (Umwelt, Frauen, Behinderte, Kinder, Jugendliche, Alte, Flüchtlinge usw.). Außerdem ist die Gewährung von Freiräumen für die Entfaltung der Initiativen sinnvoll. Dazu gehören z.B. die Verbindung gemeinsamer Gesetzesvorlagen mit vielfältigen Protestformen, materielle und propagandistische Unterstützung, die Herstellung von Kontakten und die Umsetzung von Bevölkerungsfragen in kleine Anfragen. Nur so kann außerparlamentarisch und parlamentarisch ein genügend großer Druck erzeugt werden, um den Gegendruck der gegenwärtig Mächtigen zu überwinden. Andernfalls ändern weder Wahlen noch die sonstigen offiziell propagierten Methoden (einschließlich plebiszitärer Elemente) Wesentliches. In diesem Fall prägen die Strukturen die Menschen mehr als die Menschen die Strukturen.
Uwe
Haftungs Ausschluss
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