FÜR EIN ANDERES EUROPA: EINEN KONTINENT MIT MENSCHLICHEM GESICHT

Oder: Was für einen Gott braucht die Verfassung der erweiterten Europäischen Union? Nachdenklicher Kommentar für Monat Februar des Jahres 2007 von Siegfried Böhringer

Die Frage "Was für ein Europa wollen wir?" ist gerade in diesen Tagen für uns Menschen in der BRD besonders brisant durch zwei aktuelle Gegebenheiten: Deutschland hat für die erste Hälfte dieses Jahres die Präsidentschaft der Europäischen Union und damit eine besondere Verantwortung für den Weg dieser sich ausdehnenden Staatengemeinschaft übernommen. Und, was weniger bekannt ist: Die Kirchen und die ökumenischen Friedensgruppen unseres Kontinents sind schon seit einiger Zeit dabei, sich vorzubereiten auf eine große Kirchenversammlung, die - unter dem Motto "Das Licht Christi scheint auf alle. Hoffnung auf Erneuerung und Einheit in Europa" - sich genau dieser Frage zuwenden wird: auf die DRITTE EUROPÄISCHE ÖKUMENISCHE VERSAMMLUNG, die im September 2007 in Sibiu/Hermannstadt, Rumänien stattfindet.

Auf der Suche nach einer Antwort werde ich selbst auf die Stimmen der Nichtregierungsorganisationen hören und nicht auf die der Regierungen. (Nicht auf die der EU, erst recht nicht auf die der G8) Nicht, weil hier "die besseren Menschen" wären, sondern weil hier die größere Unabhängigkeit ist von den Verstrickungen der Macht, die größere Distanz zum Bannkreis des großen Geldes und die größere Nähe zu den Menschen. Ich halte mich an die vielen, vielfach in der Öffentlichkeit ignorierten Bewegungen, die eigenständig, kompetent und "ohne wenn und aber" eintreten für "Friede, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung". FRIEDE Für Ulrich Duchrow, den Sprecher von "Kairos Europa" stellte sich die Frage, "welcher Gott denn inhaltlich in dem vorliegenden Entwurf der Verfassung angebetet wird. ... Auch Herr George W. Bush, auch Herr Osama Bin Laden führen Gott im Munde und meinen damit imperialen Staats- und anti-imperialen Gegenterror. .. Die EU soll .. per Verfassung in eine weltweit operierende militärische Interventionsmacht umgewandelt werden. .. (Wir müssen fordern), dass der vorliegende neoliberale EU-Verfassungsentwurf einer Volksabstimmung unterworfen wird, und dann dafür .. arbeiten, dass eine Mehrheit mit Nein dagegen stimmt." - GERECHTIGKEIT Im "EuroMemorandum 2006" heißt es: "Die unbestreitbare Tatsache der steigenden Armut am unteren Ende der Gesellschaft steht im krassen und skandalösen Gegensatz zum wachsenden Reichtum an ihrer Spitze. .. Zu diesem .. Umbau der EU und Europas in eine neoliberale Zone der unternehmerischen Freiheit und der sozialen Unterordnung gibt es Alternativen: .. eine Neuausrichtung der gesamten Wirtschaftspolitik, die den Mitgliedstaaten wie auch der EU ermöglicht und sie dazu verpflichtet, Vollbeschäftigung, soziale Wohlfahrt und Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit sowie friedliche internationale Wirtschaftsbeziehungen als übergeordnete Zielsetzungen zu verfolgen." - BEWAHRUNG DER SCHÖPFUNG Hermann Scheer, Präsident von "Eurosolar" in einem Memorandum "zur Transformation der deutschen Energieversorgung": "Die existenziellste Frage des Jahrhunderts (zur Abwendung der drohenden Klimakatastrophe) ist die Transformation der Energieversorgung von fossilen und atomaren zu Erneuerbaren Energien. Diese Transformation ist durch bereits jetzt verfügbare Energietechnologien möglich. .. Eine Zwischenphase durch neue konventionelle Großkraftwerke oder eine Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken ist verlorene Zeit."

Zum Schluß Worte, welche die Sache "auf den Punkt bringen", aus einem Friedensgebet, das ich bei der 1.Ökum.Europ.Versammlung in Basel 1989 miterlebte: "Wir sagen Dank .. für alle, in deren Glauben an den Gott, der an der Seite der Armen und Machtlosen steht, wir die wahre Seele Europas erfühlen. .. Wir gedenken des anderen Europa, das wir selbst am Leben erhalten, obwohl wir es hassen. .. Wir haben eine Spur von Blut und Tränen auf dem Angesicht dieser Welt hinterlassen; unsere Gier hat ganze Völker zugrunde gerichtet und entwürdigt; unser Streben nach Macht und Reichtum hat uns dazu geführt, diese Erde auszuplündern und ihre Kinder auszubeuten." Ja, darum geht es letztenendes: "Die wahre Seele Europas" zu retten und "das menschliche Gesicht" unseres Kontinents zu bewahren.

Darauf laßt uns hoffen, dafür laßt uns arbeiten! Herzlich grüßt Siegfried Böhringer.

Ein anderes Europa ist möglich

Bei ihrer Teilnahme an der Dritten Europäischen Ökumenischen Versammlung wollen die Ökumenischen Basisgruppen in der BRD eine visionäre alternative EU-Verfassung zur Diskussion vorlegen. Ich selbst wurde gebeten, dazu einen ersten Entwurf anzufertigen, dessen § 1 so lautet: "Das Europa, auf das wir hoffend und handelnd zugehen, ist ein Kontinent, von welchem nichts anderes ausgehen soll als ‚Friede, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung' zur Heilung unseres gemeinsamen Hauses, der Erde. Erst dann, wenn dieses neue Europa Gestalt gewinnt, kann es auch in anderen Erdteilen Demokratie und Menschenrechte glaubhaft einfordern. - Geleitet von der frohen Botschaft unseres Glaubens widerstehen wir der in der vorliegenden EU-Verfassung sich zeigenden Tendenz, den traditionellen Kurs militaristischer Machtpolitik und neoliberaler Wirtschaftspolitik auf europäischer Ebene verstärkt fortzusetzen."

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Haftungs Ausschluss.

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