Kritik zu: "GLOBALISIERUNG GERECHT GESTALTEN"
Gemeinsames Positionspapier von ATTAC; DGB und VENRO
(Das Positionspapier wurde veröffentlicht auf der Attac-Webweite: http://www.attac-netzwerk.de)
(4.1.03) Als uns obiges Positionspapier zufällig in die Hände fiel, haben wir uns wie andere
Mitglieder und Sympatisanten von ATTAC sofort gefragt: Wer hat dieses Papier im Namen
von ATTAC mitverfasst und legitimiert? Wie kommt es, dass es ohne Diskussion mit der
Basis als DIE ATTAC-Position der Presse übergeben wurde?
Diese kritischen Nachfragen beziehen sich jedoch nicht nur auf das undemokratische
Verfahren, womit eines der wichtigsten Elemente einer anderen, besseren Gesellschaft - der
demokratische Entscheidungsprozess - mit Füßen getreten worden ist, sondern ebenfalls
auf den Inhalt. Beides gehört zusammen: das Verfahren und der Inhalt. Denn dieses Papier
suggeriert nicht nur, dass es in ATTAC nur EINE Position zur Problematik der Globalisierung
gibt, sondern auch, dass diese Position mehr oder weniger identisch ist mit der Position des
DGB und einiger Entwicklungs-NROs. Dies trifft nicht zu.
ATTAC ist nur ein Teil der internationalen Protestbewegung gegen die Globalisierung. In
Deutschland, wie in Frankreich und anderen Ländern haben sich verschiedene Gruppen mit
verschiedenen Zielen dieser Bewegung und auch ATTAC angeschlossen. Bisher beruht die
Lebendigkeit der Bewegung und auch von ATTAC auf der Vielfalt und Heterogenität dieser
verschiedenen Gruppen, Organisationen und Interessen. Der Versuch, diese Vielfalt einer
Bewegung einer einheitlichen, politischen LINIE zu unterwerfen, hat zwar in Deutschland
Tradition, hat aber zu dem geführt, was unsere Parteien, Gewerkschaften und Regierungen
unfähig gemacht hat, rechtzeitig kreativ und unbürokratisch auf die Bedrohungen durch den
konzerngesteuerten globalen Kapitalismus zu reagieren.
Das Positionspapier ist ein erneuter Versuch, das Wasser und das politische Potential dieser
neuen sozialen Bewegung wieder einmal auf die alten Mühlen des DGB und der SPD zu
lenken. Organisationen, die zwar die Macht hätten, politische Veränderungen
herbeizuführen, aber bisher in Deutschland die Bevölkerung weder über die Gefahren der
neoliberalen Globalisierung informiert, geschweige denn zum Protest aufgerufen haben
(siehe MAI (Multilaterale Abkommen über Investitionen)). Diesem Versuch entspricht auch der Inhalt des Papiers.
Ein Kommentator sagte, es liest sich wie das Wahlprogramm der SPD. Uns kam es vor, als
wäre es abgeschrieben aus dem Bericht der Enquête-Kommission des Bundestages:
"Globalisierung der Weltwirtschaft - Herausforderungen und Antworten" (Bundestags-Drucksache 14/6910)
Es wimmelt nur so von Widersprüchen und frommen Wünschen, die aber alle die
tatsächlichen ökonomischen, politischen und militärischen Machtverhältnisse des
konzerngetriebenen, konkurrenz- und profitorientierten globalen Kapitalismus nicht in Frage
stellen und somit auf die Stabilisierung und Sicherung des herrschenden Systems abzielen.
Soweit zur undemokratischen Form und wahren Intention des Papiers. Kommen wir konkret
zum Inhalt:
Beginnen wir mit dem Anfangsstatement, dass Globalisierung als solche nicht in Frage
gestellt werden könne. Sie benötige lediglich ein "soziales und demokratisches Gesicht. Es
gilt nicht der Globalisierung zu entkommen, sondern sie politisch zu gestalten." (Globalisierung gerecht gestalten, S. 1)
D.h. nichts anderes, als dass die ökonomischen Tatsachen, die die Global Players und ihre
Institutionen bisher geschaffen haben, als alternativlos akzeptiert werden. TINA (There is No
Alternative - M. Thatcher 1979).
Weiter heißt es:
"Mit der vorliegenden Erklärung haben sich der DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund),
VENRO (Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen) und ATTAC
das Ziel gesetzt, die neue Bundesregierung und den neu gewählten Bundestag zu einem
größeren Engagement für eine sozial und ökologisch gerechtere Weltordnung mit
demokratischem Antlitz aufzufordern." (ebenda, S. 1) Etwas später wird fortgeführt: "Globalisierung in der
heute vorherrschenden Form ist nicht von allein in Gang gekommen. Die Ausweitung und
damit die Verschärfung des globalen Wettbewerbs waren politisch gewollt. Entscheidende
Triebkräfte waren nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Regierungen der USA,
Japans sowie der Mitgliedsstaaten der EU. Sie haben die Weichen für eine Liberalisierung
der Märkte, und zur Zurückdrängung öffentlicher Daseinsvorsorge gestellt."(ebenda, S. 1) Jetzt soll(en)
die Regierung(en) die Globalisierung gerecht gestalten, die zuvor der neoliberalen
Globalisierung Tür und Tor geöffnet haben. Die politischen Bewegungen, die BürgerInnen,
die Menschen sind hier nicht mehr die Akteure, die eine andere Welt gestalten. Weg von den
lästigen Straßenaktionen und den langwierigen demokratischen Entscheidungsprozessen!
"Globale Märkte müssen auf globalen Regeln und Institutionen beruhen, die eine
menschenwürdige Entwicklung und das Allgemeinwohl über die Interessen von
Unternehmen und nationalen Vorteilen stellen. Eine Rückkehr zu einer Fixierung der Politik
auf die nationalstaatliche Ebene ist keine wünschenswerte Alternative," (ebenda, S. 1) heißt es weiter.
Hiermit erfolgt konsequenterweise zum Anfangsstatement die Festlegung auf eine
marktwirtschaftliche Wirtschaftsweise sowie auf einen weltweiten Warenaustausch.
Dieses spiegelt nicht den Diskussionsprozess innerhalb ATTAC über alternative
Wirtschaftsweisen wider. Ein nicht unerheblicher Teil der ATTAC-Bewegung spricht sich
gegen eine marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung aus, in der der marktwirtschaftliche Preis
als gesellschaftliches Ordnungs- und Verteilungsinstrument fungiert.
Bereits Anfang 1974 wurde von den Entwicklungsländern eine Abkehr von
marktwirtschaftlichen Prinzipien gefordert. "Die Beobachtung, daß eine auf
marktwirtschaftlichen Prinzipien basierende Weltwirtschaftsordnung zu einer Vertiefung der
Kluft zwischen arm und reich führt, hat die Entwicklungsländer in den letzten Jahren zu der
Forderung veranlaßt, die gegenwärtige internationale Wirtschaftsordnung zu reformieren.
Das Konzept der Entwicklungsländer für eine Neuordnung der Weltwirtschaftsbeziehungen
wurde ermals auf der UN-Sonderkonferenz für Rohstoffragen vom 9.4.1974 bis zum
2.5.1974 diskutiert. Dieses Konzept beinhaltet im Kern eine Abkehr von einer durch die
Marktprinzipien determinierten, internationalen Arbeitsteilung". (Gahlen/Hardes/Rahmeyer/Schmid, Volkswirtschaftslehre, J.C.B. Mohr, Tübingen 1978)
Wir wissen, dass das marktwirtschaftliche Konkurrenzprinzip mit dem ihm inhärenten Zwang
zu Konzentrationsprozessen zu einem unglaublichen Ressourcenverbrauch, zur Zerstörung
von Millionen von Kleinbauern und Kleinbetrieben im Süden, zu Arbeitsplatzvernichtung,
irreversiblen Umweltschäden und zu einer Polarisierung zwischen Arm und Reich etc. führt.
Wir wissen, dass die internationale Arbeitsteilung zwischen Entwicklungsländern und
Industrieländern durch Kolonialismus, Imperialismus und Neokolonialismus seitens
europäischer Mächte, der USA und Japans erzwungen worden ist; dass sie zu
Monokulturen, Exportabhängigkeit und Armut bei den Entwicklungsländern geführt hat und
noch immer führt.
So besagt die Theorie der strukturellen Abhängigkeit und Unterentwicklung, dass die
internationale Arbeitsteilung nicht zu einer größeren Gleichheit führt, wie dies aus der
Theorie des internationalen Handels abgeleitet wird (vgl. ebenda, S. 347 ff. sowie den Beitrag von Saral Sarkar in diesem Infobrief: Warum man die Globalisierung
kritisieren soll, erhältlich per e-mail bei
nc-kleineba bei netcologne.de, Infobriefe erhältlich bei: Hermine Karas:
Blumenstr. 9, 50670, e-mail:
karas-koeln bei t-online.de), sondern verstärkt die bestehende
Ungleichheit. (vgl. ebenda, S. 347 ff. )
Auf globale Märkte zu setzen, bedeutet daher, die bestehenden internationalen Strukturen
und Machtverhältnisse zu akzeptieren und festzuklopfen.
Alternativen hierzu gibt es jedoch zahlreiche. (Einige Alternativen haben wir bereits in unseren Infobriefen dargestellt, z.B. in Infobrief 7, Saral Sarkar: Öko-
Sozialismus - Das Ergebnis meiner Suche nach einer Alternative, Infobrief 10 und 11, Maria Mies: Den
kapitalistisch-patriarchalen Eisberg abschmelzen, Subsistenz-Lebenswelten aufbauen. Per e-mail erhältlich bei:
nc-kleineba bei netcologne.de, Infobriefe bei: Hermine Karas, Blumenstr. 9, 50670 Köln, e-mail:
karas-koeln bei t-online.de)
Nachdem sich die Verfasser dieser Erklärung auf das globale marktwirtschaftliche System
festgelegt haben, machen sie im Detail folgende Vorschläge:
1. Armutsbekämpfung
Es wird die Erhöhung der bundesdeutschen Entwicklungshilfe von 0,27 % auf 0,7 % des
Bruttosozialprodukts bis 2010 vorgeschlagen. Ein weiterer Schuldenerlass für die Ärmsten
soll initiiert werden. "Die Bundesregierung" soll "sich für eine bessere Anwendung und
Weiterentwicklung des UN-Menschenrechtsabkommen einsetzen, insbesondere in Bezug
auf die Erarbeitung eines Verhaltenskodex für das Recht auf Nahrung." (Globalisierung gerecht gestalten, S. 2) Diese Forderung
bleibt weit hinter dem zurück, was die Entwicklungsländer bereits 1974 in der "Erklärung
über die Errichtung einer neuen Weltwirtschaftsordnung" von der UN-Sonderkonferenz
gefordert haben und von der 6. Sondergeneralversammlung der UNO nach langem
Prozedere angenommen worden ist. Dies zeigt zum einen die unerträgliche Moderatheit der
ATTAC-Erklärung. Zum anderen, dass die UNO der falsche Adressat für derartige
Forderungen ist, denn realisiert wurde von dieser UN-Resolution aufgrund des Widerstands
der einzelnen Industrieländer nichts. Forderungen wie Streichung der Schulden der
Entwicklungsländer, Finanzierungshilfen für den Wiederaufbau einer von den
Industrieländern unabhängigen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung, Weg vom Export hin
zur Selbstversorgung etc. sucht man in der ATTAC-Erklärung vergeblich.
Außerdem ignorieren die Autoren, dass der Generalsekretär der UNO, Kofi Annan, 1999 den
berühmt/berüchtigten "Global Compact" mit den Multinationalen Konzernen abgeschlossen
hat, der zwar einerseits die Multis zur Einhaltung ethischer Normen verpflichtet, genau so
wie die OECD-Richtlinien, dass aber gleichzeitig alle diese Normen keinerlei Verbindlichkeit
haben. Im Gegenteil, im Bestreben, eine Partnerschaft mit den Konzernen zu erreichen,
wurden bestehende Übereinkommen (Conventions) inzwischen teilweise schon "flexibilisiert"
und den Wünschen der Multis angepasst. So geschehen vor zwei Jahren, als die ILO auf
Wunsch der Konzerne die Konvention zum Kündigungsschutz von schwangeren Frauen
aufweichte. Dieser Beschluss wurde sogar von der stellvertretenden Vorsitzenden des DGB,
Frau Engelen-Kefer, unterschrieben.
Wie kann also die UNO oder gar die ILO die Kernarbeitsstandards garantieren, wenn sie
selbst schon die neoliberale Doktrin akzeptiert haben und eine Partnerschaft mit den Multis
anstreben?
Solche Appelle sind doch nur Fensterreden.
2. Nachhaltige Entwicklung und Umweltschutz
Hier wird auf die Realisierung der Umwelt- und Entwicklungsziele des Gipfels in
Johannesburg 2002 gesetzt.
Für die Nutzung globaler öffentlicher Güter wie Luftraum und Meer soll bezahlt werden.
Weitere Handelsliberalisierungen sollen erst nach der Prüfung ihrer Auswirkungen auf die
Umwelt, die Armut etc. erfolgen.
Atomenergie soll nicht als nachhaltige Form der Energiegewinnung definiert werden.
Über die Ergebnisse des Umweltgipfels in Johannesburg wurde selbst in der bürgerlichen
Presse fast flächendeckend negativ berichtet. Im "Informationsbrief 09/02 für Weltwirtschaft
und Entwicklung von WEED" ist zu lesen: "Der Umsetzungsplan von Johannesburg krankt im
Kern an dem konzeptionellen Widerspruch, der auch schon früheren Aktionsprogrammen
zum Verhängnis wurde. Er benennt einerseits ausdrücklich die Fehlentwicklungen der
vorherrschenden Konsum- und Produktionsweisen und die negativen Folgen der Globalisierung, empfiehlt aber andererseits als Gegenmittel weitere Marktöffnung,
Liberalisierung und die stärkere Einbeziehung der Privatwirtschaft, und damit Rezepte, die
die Fehlentwicklung der Vergangenheit gerade befördert haben. Ein konsistenter
Gegenentwurf zum neoliberalen Entwicklungsparadigma stand bei den offiziellen
Verhandlungen nie zur Debatte." Vom Gipfel der Enttäuschung und der Ernüchterung war im
allgemeinen die Rede.
Wer auf Entgelte für die Nutzung von öffentlichen Gütern wie Luft, Meer etc. setzt, ermöglicht
finanzkräftigen Unternehmen wie den Transnationalen Konzernen (TNK) die Nutzung dieser
Güter. Andere, die nicht bezahlen können, werden ausgeschlossen. Dies ist erstens eine
ungerechte Verteilung der Nutzung, zweitens werden dadurch die öffentlichen Güter nicht
sparsamer oder ökologisch vernünftig genutzt.
Weitere Handelsliberalisierungen werden grundsätzlich nicht ausgeschlossen.
Den Ausstieg aus der Atomenergie sucht man vergeblich.
3. Reform der Internationalen Finanzarchitektur
"Es fehlt an 'Leitplanken' für die Wechselkurse, die glaubhaft gegenüber dem Devisenmarkt
durchsetzbar wären. Dieser Mangel engt die Spielräume für eine wachstumsfördernde,
souveräne Konjunkturpolitik ein und behindert die Überwindung der seit der zweiten Hälfte
der 90er Jahre anhaltenden rezessiven Tendenzen." (Globalisierung gerecht gestalten, S. 3)
Es wird explizit auf volkswirtschaftliches Wachstum gesetzt. Wachstumskritische Ansätze
sucht man vergeblich.
Spekulationen sollen beschränkt werden. Warum sollen sie nicht unmöglich gemacht werden?
Finanz- und Steueroasen sollen beaufsichtigt werden. Warum sollen sie nicht abgeschafft werden?
Ein Kommentar zu derartigen "Reform"vorschlägen erübrigt sich.
4. Für eine soziale Gestaltung des Welthandels
Die Aufhebung der Handelshemmnisse gegenüber Entwicklungsländern wird gefordert. Zur
Exportorientierung der Entwicklungsländer haben wir schon einige Ausführungen gemacht.
In unserem letzten Infobrief Nr. 10 haben wir einen Artikel von Vandana Shiva mit dem Titel:
"Export um jeden Preis: Das Freihandelsrezept von Oxfam für die Dritte Welt" abgedruckt.
Vandana Shiva weist darin nach, dass die Exportorientierung der Entwicklungsländer diese
in die Armut treibt, abgesehen von den sozialen und lokalen Kosten für die Ökosysteme.
Saral Sarkar beschäftigt sich in seinem Beitrag "Warum man die Globalisierung kritisieren
soll" in diesem Infobrief ausführlich mit der Theorie der komparativen Kostenvorteile, die die
theoretische Grundlage für den globalen Freihandel bildet. Er weist nach, dass die Theorie
von falschen Annahmen ausgeht, und sich somit Theorie und Wirklichkeit widersprechen. Er
kommt u.a. zu dem Schluss, dass der "Fernhandel" nicht das Hauptmittel ist, um die Armut
zu beseitigen.
Ein großer Streitpunkt innerhalb der globalisierungskritischen Bewegung ist die Frage, ob die
WTO reformierbar ist oder ob sie abgeschafft werden muss. In der ATTAC-Erklärung wird
nicht einmal mehr die Reform der WTO gefordert.
5. Keine unbeschränkte Liberalisierung der Dienstleistungsmärkte
Die Liberalisierung der Dienstleistungsmärkte wird grundsätzlich nicht in Frage gestellt. D.h.
dass den TNKs im Rahmen des globalen Wettbewerbs der Zugriff auf weitere Marktanteile
(auch kommunale) gewährleistet wird. Es bleibt bei der Einschränkung, dass der öffentliche
Dienst und soziale Dienstleistungsbereiche wie z.B. Bildung, Gesundheit, Umwelt, Wasser
vom allgemeinen Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) ausgenommen
werden sollen.
"Keine Übernahme von GATS-Verpflichtungen beim Vorliegen ernster Marktstörungen
(Arbeitslosigkeit, Lohn- und Preisdumping)", so ist des weiteren in der ATTAC-Erklärung zu
lesen. Da "Marktstörungen" überall auf der Welt vorliegen, müsste daraus notwendig und grundsätzlich gefolgert werden: Keine Übernahme von GATS-Verpflichtungen! Dabei hat
Attac-Deutschland eine Kampagne mit dem Titel "Stoppt GATS" gestartet.
6. Regeln für transnationale Unternehmen
"Ziel muss die Schaffung rechtsverbindlicher internationaler Regeln mit effektiven
Überwachungsmechanismen und Sanktionsmöglichkeiten sein." (Globalisierung gerecht gestalten, S. 4)
Die Existenz der TNK wird in keinster Weise problematisiert. Es wird jedoch erkannt, dass
deren Investitionen durchaus nationalen Umwelt- und Arbeitsnormen etc. widersprechen
können. "Die Verhandlungen in GATT und WTO haben in der Vergangenheit wenig
Fortschritt bei der Priorität für internationale Umweltabkommen gebracht und
Menschenrechte sowie Kernarbeitsnormen komplett ausgeblendet. Dies ist keine Grundlage,
auf der innerhalb der WTO eine Investitionsordnung zu erwarten ist, deren Zielvorgabe nicht
Liberalisierung, sondern Entwicklung und sozialer Fortschritt wäre." (ebenda, S. 5) Deshalb soll sich die
Bundesregierung gemäß der ATTAC-Erklärung für eine neue internationale
Investitionsordnung
jenseits der WTO einsetzen. Dieselben Regierungen, die 1995 die WTO
(damals 125 Gründungsländer, heute 135 Mitgliedsländer) gegründet haben, deren zentrale
Aufgabe und Zielvorstellung die globale Durchsetzung des Freihandels im Interesse der
TNKs ist, sollten nun eine internationale Investitionsordnung "jenseits der WTO" schaffen.
Dies ist mehr als paradox.
Wiederum ist festzuhalten: es wird weder eine Reform, noch die Abschaffung der WTO
gefordert, noch die Existenz der TNK angeprangert. Es ist das gleiche Paradox, das wir
schon in bezug auf die UNO beobachten konnten.
7. Demokratisierung des Globalisierungsprozesses
Hier bleibt es im wesentlichen bei Forderungen wie "gleichberechtigter Zugang zu
Informationen", "Anhörungsrechte" und der "frühzeitigen" Einbindung "zivilgesellschaftlicher
Akteure in wichtige Entscheidungen auf dem Gebiet der internationalen Wirtschaftspolitik". (vgl. ebenda, S. 5) Es wird offensichtlich davon ausgegangen, dass die Entscheidungsträger auf nationaler, EU-
und internationaler Ebene nur die Argumente der zivilgesellschaftlichen Akteure zu hören
brauchten, um nicht die falschen, sondern die richtigen, sozial-ökologisch sinnvollen
Entscheidungen treffen zu können. Von Machtinteressen der politischen
Entscheidungsträger bzw. deren Lobbyisten ist an keiner Stelle die Rede.
Sicher ist, dass die Transnationalen Konzerne nichts zu fürchten hätten, wenn
"zivilgesellschaftliche Akteure und NGOs" wie die, die die obige Erklärung verfasst haben,
mit am Verhandlungstisch säßen.
Die ATTAC-Erklärung ist zutiefst undemokratisch zustande gekommen und ein Schlag ins Gesicht für die unzähligen Menschen, die im Namen von ATTAC unter dem Motto "Eine andere Welt ist möglich" in den unterschiedlichsten Formen und mit den unterschiedlichsten Mitteln für eine andere Welt kämpfen. Die Kölner ATTAC-Gruppe will beim nächsten Plenum im Januar 2003 den Rücktritt des ATTAC-Koordinierungsausschusses fordern, der diese Erklärung zu verantworten hat. Wir fordern hiermit alle ATTAC-Basisgruppen zu gleichem Handeln auf. Des weiteren muss die Erklärung im Namen von ATTAC zurückgenommen werden!
Wir werden versuchen, diesen Kommentar auf der ATTAC-Mailingliste veröffentlichen zu lassen.
Barbara Kleine (
nc-kleineba bei netcologne.de)
Maria Mies (
Mariamies bei aol.com)
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