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Jeremy Rifkin: Diskussion über sein Buch "Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft"
Diese Aussagen, wie auch die Aussagen in den meisten anderen Texten, sind das Ergebnis der Besprechungen in unserer AG Visionen. Sie entstammen nicht wissenschaftlichen Veröffentlichungen.
- Wegen des Produktivitätszuwachses sinkt der Aufwand / die Kosten je produzierte Einheit immer weiter. Jeremy Rifkin betrachtet damit den Grenzübergang, dass nach Bezahlung der Fixkosten (z.B. Gebäude, Maschinen und Geräte, Entwicklungskosten) die Grenzkosten für die Produktion eines weiteren gleichartigen Produkts gegen Null gehen. Daraus schlussfolgert er, dass damit die Existenzgrundlagen des Kapitalismus verloren gehen. Damit kommt er in die Nähe derjenigen, die davon sprechen, dass wir die finale Krise des Kapitalismus erleben. Bei früheren Krisen konnte der Kapitalismus die Produktion auf neue Märkte oder neue Produkte / Dienstleistungen ausdehnen. Das wäre jetzt nicht mehr möglich. Damit denkt Jeremy Rifkin weiter als diejenigen Linken, die keine grundsätzlichen Krisen im Kapitalismus sehen und lediglich eine gerechtere Verteilung des Erwirtschafteten wollen.
- Als Gegenmodell des kapitalistischen Prinzips der Gewinnerwirtschaftung sieht Jeremy Rifkin das Konzept der Gemeingüterökonomie (englisch commons, altdeutsch Allmende). Die meisten von uns stimmten dem zu. Auch große Übereinstimmung gab es, dass es heftige Auseinandersetzungen zwischen dem kapitalistischen Prinzip und dem der Gemeingüter geben wird. Allerdings geht Jeremy Rifkin davon aus, dass mit der Entwicklung der Produktivkräfte das Prinzip der Gemeingüter das kapitalistische Prinzip allmählich zurückdrängt. Damit kommt er in die Nähe des gesetzmäßigen Sieges des Sozialismus / Kommunismus. Das wurde aber bezweifelt. Einerseits ist der Widerstand des Kapitalismus sicher wesentlich größer als von Jeremy Rifkin erwartet. Andererseits ist der Kapitalismus wegen des Gewinn- / Verwertungsprinzips auf Wachstum angewiesen. Er wird somit nicht einfach schrumpfen. Wenn der Kapitalismus schrumpft, ist dies mit massiven Krisen verbunden.
- Überhaupt geht Jeremy Rifkin in vielen Bereichen von einer quasiautomatischen Entwicklung aus. Damit gerät er zwar nicht in die Gefahr, die Entwicklung mittels moralischen Appellen beeinflussen zu wollen. Aber er sieht auch nicht, dass es jeweils unterschiedliche Entwicklungsmöglichkeiten gibt.
- Dieser Optimismus bezieht sich auch auf die Entwicklung von 3D-Druckern. Er geht davon aus, dass zukünftig für alle möglichen Bauteile Baupläne im frei verfügbaren Netz vorhanden sind. Diese können im Netz weiterentwickelt und modifiziert werden. Anschließend können sie bei Bedarf ausgedruckt werden. Damit ergibt sich eine Kombination aus frei verfügbaren 3D-Druckern, frei verfügbaren Programmen, immer wieder verwendbaren Materialien und Energie aus erneuerbaren Energiequellen. So entstehen tendenziell fast keine Kosten. Bei uns umstritten ist allerdings, ob dies realistisch ist und wenn ja, unter welchen gesellschaftlichen Umständen. Es geht um die grundsätzliche Frage, was technisch möglich ist, was nicht und inwiefern gesellschaftliche Rahmenbedingungen notwendig sind, damit Technik nützlich und nicht schädlich ist.
- Er bevorzugt auch deshalb 3D-Drucker, weil dies ein additives Verfahren ist. Es wird immer wieder Material hinzugefügt. Bei subtraktiven Verfahren, z.B. bohren, fräsen, drehen, schneiden, entsteht Abfall. Somit verbrauchen additive Verfahren zuerst weniger Material. Auch wird davon ausgegangen, dass ein im 3D-Drucker erzeugtes Bauteil am Ende wieder vollständig recycelt werden kann (schreddern, einschmelzen und ein neues Bauteil damit drucken). Der Praxisbeweis dafür steht noch aus. Auch ist unklar, ob sich Bauteile mit allen gewünschten Eigenschaften mit einem 3D-Drucker erzeugen lassen oder ob dies nur mit bestimmten Materialien und den damit verbundenen Eigenschaften funktioniert.
- Weil Jeremy Rifkin diese grundsätzlichen Auseinandersetzungen untersucht, behandelt er nicht die verschiedenen Vorschläge, einen solidarischeren, ökologischeren, sozialeren usw. Kapitalismus zu erreichen.
- Jeremy Rifkin betrachtet nicht nur die zukünftige Entwicklung, wie er sie sieht. Er untersucht auch entsprechende Auseinandersetzungen in Vergangenheit und Gegenwart. Dabei bezieht er sich u.a. auf die Untersuchungen von Elinor Ostrom über schon seit Jahrhunderten funktionierende Modelle von Gemeingüterökonomien. Elinor Ostrom erhielt für diese Untersuchungen bekanntlich den Nobelpreis für Wirtschaft.
- Kritisiert wurde, dass er im Gegensatz zu den Aussagen von Elinor Ostrom die von Karl Marx nicht gleichermaßen würdigt. Das führt dazu, dass er angeblich neue Erkenntnisse präsentiert, die bereits bei Karl Marx nachzulesen sind. Bei der Analyse des Prinzips des Kapitalismus fällt er teilweise sogar hinter Karl Marx zurück. Insofern sind seine Aussagen für diejenigen, die sich intensiv mit den Lehren von Karl Marx beschäftigt haben, nicht neu bzw. auch offensichtlich nicht zutreffend.
- Allerdings ist auch bei uns die Arbeitswerttheorie, die Karl Marx von bürgerlichen Ökonomen übernommen hat, heftig umstritten. Richtet sich der Preis einer Ware nach der gesellschaftlich durchschnittlich für die Produktion dieser Ware aufzuwendende Arbeitskraft oder ist er Ausdruck gesellschaftlicher Machtverhältnisse am Markt? Sinkt also mit dem Produktivitätszuwachs und damit der Verringerung der durchschnittlich benötigten Arbeitszeit pro Produkt der Tauschwert dieses Produkts und damit auch im Mittel der Preis? Oder ist der Preis von der Arbeitszeit entkoppelt und eher an die Kosten und die Markmacht der Produzierenden gekoppelt?
- Somit haben wir viele Kritikpunkte gegenüber den Aussagen von Jeremy Rifkin. Es gibt aber durchaus auch einige Anknüpfungspunkte.
Uwe
Haftungs Ausschluss
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