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Ohne Zins wird alles gut - Die Freiwirtschaftstheorie

Erhebt man eine Steuer, Umlaufsicherungsgebühr genannt, auf kurzfristige Geldanlagen und Bargeld, so wären die Marktteilnehmer bestrebt, ihr Geld entweder zu verkonsumieren oder langfristig zu einem Zins von 0% anzulegen - um der Gebühr zu entgehen. Auf diesen kurzen Satz kann man die Forderung der Vertreter der Freiwirtschaftstheorie zusammenfassen.
Demzufolge würde nicht nur die Deflationsspirale beendet, weil die Menschen ihr Geld wieder dem Geldkreislauf zur Verfügung stellen würden, sondern auch die Umverteilungsmaschinerie durch exponentielles Vermögenswachstum gestoppt (dank Zinsen von 0%!), der Wachstumszwang der Volkswirtschaften hätte ein Ende und Geld würde nicht mehr nur dahin fließen, wo schon welches ist, sondern dahin, wo es gebraucht wird: Bisher entfällt jede Investition, die keinen Profit abwirft, weil man auf der Bank ja mindestens ein paar Prozent Zinsen erhält. Bei 0% Geldanlagezinsen ist jede Investition rentabel, die wenigstens ihren Einsatz zurückbringt. Wären Kindergärten, Unis, Entwicklungshilfe, Umweltschutz etwa endlich rentabel?
(Norbert Rost, telepolis, 22.05.03)

Begründer der Freiwirtschaftslehre ist Silvio Gesell. Es gibt drei Organisationen, die sich als Erben von Silvio Gesell begreifen:

  1. Initiative für Natürliche Wirtschaftsordnung e.V. (INWO), wurde 1983 als Internationale Vereinigung für Natürliche Wirtschaftsordnung (ebenfalls INWO) gegründet. Diese umfasste vor allem den deutschsprachigen Raum, was sich bis heute kaum geändert hat. Sie wurde gegründet um einer möglichst breiten Öffentlichkeit Ideen zur Gestaltung eines gerechten und stabilen Geldsystems und einer gerechten und effizienten Bodenordnung zugänglich zu machen. Diese Ideen gehen in erster Linie auf den deutsch-argentinischen Kaufmann Silvio Gesell (1862 - 1930) zurück.
    Grundlegendes hat Helmut Creutz geleistet, indem er die Überlegungen Gesells anhand von Datenmaterial der Deutschen Bundesbank, des statistischen Bundesamts und ähnlicher Institutionen konkretisiert hat. Damit werden Entwicklungen in Deutschland, die Geldpolitik der EZB und auch globale Veränderungen erklärbar.
  2. Die Liberalsoziale Aktion - LSA, die Liberalsozialen in BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und ,,Alternative 2000" ,,Wir sind eine politische Gruppe zur Verwirklichung der LIBERALSOZIALEN ORDNUNG - LSO - Alternative zu Privat- und Staatskapitalismus und ihren totalitären Auswüchsen Faschismus und Stalinismus." ALTERNATIVEN ist eine Zeitschrift für eine LIBERALSOZIALE ORDNUNG - LSO - zur Verwirklichung der Freiheitsrechte des Liberalismus und des Anarchismus und der Gerechtigkeitsziele der Weltreligionen, des Humanismus und des Sozialismus. Herausgeber: AKTION DRITTER WEG - A 3 W und LIBERALSOZIALE IN BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Red. Georg Otto
  3. Die Humanwirtschaftspartei (früher Freisoziale Union): Zwar ist die FSU bisher nicht in "verfassungsschutzrelevanter Weise in Erscheinung getreten", darf aber laut Urteil des Oberlandesgerichtes Frankfurt vom 11. Mai 1995 als rechtsextremistisch bezeichnet werden. Die FSU ist weder sozial noch eine Partei der "demokratischen Mitte". Sie bietet nicht nur Anknüpfungspunkte für Nationalisten, Antisemiten und Rassisten aller Art, sondern ist selbst aufgrund der sozialdarwinistischen Programmatik und ihres Nationalismus dem äußersten rechten Rand des Parteienspektrum zuzuordnen.
    Monika Kirschner (Lexikon Rechtsextremismus)

Konzepte, Versprechen und Folgen

  • Erste Maßnahme: Die Zinsgewinne werden auf unterschiedliche Art (je nach Konzept) verringert oder abgeschafft. Erstes Bestreben ist, denen die Gewinne zu entziehen, welche sich mit Staatsanleihen eine goldene Nase verdienen. Aber auch alle anderen Zinsen sollen zwangsweise geschrumpft werden, bei Bargeld und Girokonten sogar in's negative.
  • Erstes Versprechen: Die Staatsverschuldung verringert sich. Beigabe: Auch z.B. das Bier wird billiger, weil die Brauerei weniger Zinsen auf ihre Investitionen zahlen muss. Überhaupt müssen die Investoren nicht mehr unter der Zinsknechtschaft stöhnen - ihre Produkte werden billiger.
  • Zweites Versprechen: Die Arbeitslosigkeit wird verschwinden, weil das schaffende Kapital viel mehr investiert. Die Wirtschaft brummt. Bei den Umweltverbänden entsteht schlechte Laune.
  • Drittes Versprechen: Der Wachstumszwang verschwindet und damit auch gleich die Umweltprobleme. Die Wirtschaft hört auf zu brummen. Bei den Umweltverbänden entsteht gute Laune.
  • Zweite Maßnahme: Der Boden wird allmählich verstaatlicht, damit sich das raffende Kapital nicht in Grundstücksspekulationen flüchten kann.
  • Dritte Maßnahme: Es gibt mehr Ökosteuern, damit sich das mit den Umweltproblemen wirklich erledigt
  • Schöne Folgen: Arbeitslose gibt es nicht mehr, raffendes Kapital auch nicht.. Lohnabhängige und schaffendes Kapital sitzen im selben Boot. Deshalb können die Gewerkschaften auch abgeschafft werden.
  • Der Widerspruch zwischen dem zweiten und dritten Versprechen wird durch die dritte Maßnahme aus der Welt geschafft.

Soweit ganz hübsch, aber:
Sind wir dann die Sorgen los, die uns der Kapitalismus aufbürdet? Dazu nehmen wir einfach mal die Definition von Kapitalismus aus "Die Ökofalle" von Christoph Spehr:
Kapitalismus ist demnach ein gesellschaftliches System beziehungsweise eine Struktur sozialer Verhältnisse, die durch folgende Eigenschaften gekennzeichnet sind:

  1. Verfügbarkeit von Arbeit ohne soziale Kontrolle durch die, die sie leisten.
  2. Eine herrschaftliche Struktur (zum Beispiel durch den Staat), die diese Verfügbarkeit gewährleistet und Widerstände unter Sanktion stellt.
  3. Eine Spaltung der Arbeit in kommandierbare Arbeit und in eine kommandierende Arbeit, die fremde Arbeit benutzen kann und dafür maximale Freiheit genießt.
  4. Eine Spaltung in Regionen, die unterschiedlichen Stufen von Zwang und Ausbeutung unterworfen sind.
  5. Eine Waffenfunktion der Ökonomie, die durch ökonomische Abhängigkeiten und die unterschiedliche Bewertung von Arbeit eine Unterwerfung schafft, die nicht durch ständige direkte Gewalt abgesichert werden muss.
  6. Eine wechselseitige Verschränkung von Herrschaftsverhältnissen, die das absolute Auseinanderfallen in ein Lager von Nur-Gewinnern und ein Lager von Nur-Verlierern verhindert und einen gewissen Rahmen für soziale Mobilität bietet. Eine solche Gesellschaft ist eine kapitalistische Gesellschaft, und sie ist es, die die industrielle Moderne trägt.

Diese Definition entspringt der Spehrschen Herrschaftsanalyse, mit welcher ein Freiwirt wohl eher nichts anfangen kann. Ganz kurz sagt Spehr, dass Machtkonzentration und Herrschaft Hand in Hand gehen. Je weniger Menschen die Macht in der Hand haben, desto übler sind die Verhältnisse.
Nun können wir annehmen, dass durch Zins und Zinseszins das Geld sich bei den "Eliten" der Industriestaaten zusammenballt und damit Herrschaftsverhältnisse zementiert. Aber das ist wirklich nur ein Aspekt im kapitalistischen Spiel von Herrschaft und Unterwerfung.
An den o. a. sechs Kriterien ändert die Freiwirtschaft eher gar nichts. Genau besehen schimmert bei jedem Freiwirtschaftsdenker eine Art Neoliberalismus durch. Der fleißige (Arbeiter und Unternehmer) ist der Gewinner und der Nichtskönner ist hintendran. Geld ohne Leistung ist Betrug am Volk.
Creutz bemüht sich um eine deutliche Abgrenzung zwischen Gewinn und Zins, indem er spricht: Der Zins ist eine leistungslose Prämie für die Überlassung von Geld, die sich auf alle wirtschaftlich genutzten Sachgüter überträgt, Der Gewinn hingegen ist eine leistungsbezogene Prämie für unternehmerisches Risiko und Tun, die zur Marktbedienung anregt. Das heißt also, Gewinn ist gutes Geld, Zins ist schlechtes Geld. Wenn wir aber betrachten, mit was für Produkten heutzutage Gewinn erzielt werden kann (gutes Geld), da kann einem schon übel werden.

Lass uns doch mal über Freiwirtschaft reden.

Wie machen denn die Freiwirtschaftler das mit dem Geld? Also das, was du cash hast, darauf nehmen die Gebühren?

Ja, auf Scheine und Münzen. Da kommt jeden Monat ein Häkchen drauf und dann isses weniger wert.

Und das ist gut?

Naja, dann steckt keiner mehr Geld ins Kopfkissen, sondern kauft Salami davon. Die hält länger.

Und die Bankguthaben, also das theoretische Geld?

Da wird auch eine Steuer erhoben, damit sich das Horten nicht so lohnt.

Und den Geldsäcken tut das weh?

Nein, die kaufen sich z.B. Häuser, die sind dann sozusagen geronnenes Geld oder einen schönen Wald.

Aber die Freiwirtschaftler reden doch immer von Gerechtigkeit und Umverteilung und dass der Arbeiter hinterher mehr in der Tasche hat! Da wird doch den Geldsäcken garnichts weggenommen!

So isses. Die Miete, die sie aus ihren Häusern ziehen, heißt dann aber nicht mehr Zins, sondern Gewinn. Gewinn ist gut, Zins ist schlecht, weiß Helmut Creutz: "Der Zins ist eine leistungslose Prämie für die Überlassung von Geld, die sich auf alle wirtschaftlich genutzten Sachgüter überträgt. Der Gewinn hingegen ist eine leistungsbezogene Prämie für unternehmerisches Risiko und Tun, die zur Marktbedienung anregt."

Dann brummt die Wirtschaft, sagen die, keiner ist mehr arbeitslos und du musst aufpassen, dass dir bei der Arbeit keine gebratenen Tauben ins Maul fliegen..

Das haben die früher immer erzählt. dann kamen die Umweltbewegten und haben dumme Fragen gestellt. Extra für die entstand dann die zweite Geschichte: Wenn die Zinsen weg sind, ist auch der Wachstumszwang weg und die Wirtschaft hört auf zu brummen. Die Umwelt ist gerettet. Und wenn das nicht hilft, gibts noch Ökosteuern obendrauf.

Da kommt ja der Referent schön ins Eiern, wenn er arbeitslosen Umweltschützern was erzählen soll.

Nichts ist einfach.

Text von Holger, ins Netz gestellt von Uwe

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Betreffs der aufgeführten Initiativen sind weitere zu nennen. Diese verstehen sich jedoch nicht, wie angezeigt als "Erben von Silvio Gesell" sondern greifen den von ihm gemachten wirtschaftlichen Gedanken um ihn meistens weiter zu entwickeln.

Zu nennen sind:
  • Christen für Gerechte Wirtschaftsordnung (CGW)
  • Seminar für Freiheitliche Ordnung
  • International: "Alliance of Complementary Currencies Enabling Sustainable Societies", gegründet vom ehemaligen belgischen Zentralbankier und Mit-Väter des Euro Bernard Lietaer (http://www.accessfoundation.org/)

Ansonsten strotzt der von Holger geschriebene und von Uwe ins Netz gestellte Text von Vorurteilen. Eigentlich beschämend, daß AttacDresden sich mit solchen sachlich schlecht recherchierten Texten überhaupt in die Öffentlichkeit wagt.

Ich möchte deshalb versuchen, einige Fragen zu klären, die bislang leider nicht gestellt wurden:

Warum sind Zinsen kritikwürdig?

1. Betrachtet man die Entwicklung eines Geldvermögens, auf welches Zinsen gezahlt werden, langfristig, so wächst dieses Geldvermögen durch Zinseszins exponentiell. Exponentielles Wachstum bedeutet, daß die Geschwindigkeit des Wachstums immer mehr beschleunigt, je weiter es fortgeschritten ist. Grafisch dargestellt ergibt sich eine Kurve, die mit fortschreitender Zeit immer steiler wird und irgendwann in die Senkrechte übergeht. Daraus ergibt sich: Exponentielles Wachstum von Geldvermögen durch Zins und Zinseszins führt Geldvermögen ins Unendliche. Unendliches Wachstum kann es aber in einer auf Naturgesetzen beruhenden Wirtschaft nicht geben woraus sich schlußfolgern läßt: Eine Wirtschaft, welche Zinsen größer als 0% langfristig akzeptiert, muß irgendwann durch die exponentiellen Steigerungen der Geldvermögen Probleme bekommen. Oder weitergehend: Eine zinsakzeptierende Wirtschaft muß irgendwann kollabieren.

2. Zinsen stellen einen Umverteilungsmechanismus dar. Nur naive Geister nehmen an, Zinsen erhält man einfach so. Zinsen werden immer von Schuldnern bezahlt. Was der eine an Zinsen bekommt muß ein anderer bezahlen. Für welche Leistung? Für den Verleih von Geld, einem unproduktiven Herrschaftsmittel. Zinsen sind somit Einkommen ohne Leistung, also leistungsloses Einkommen. Anstatt sich also über die Zinskritik lustig zu machen kann jedermensch einfach mal die Zahlen der Verschuldung der Wirtschaft hernehmen und mal berechnen, wie viele Zinsen auf dieser Basis die Wirtschaft aufzubringen hat. "Die Wirtschaft" legt jedoch ihre Kosten - also auch die Kapitalkosten - auf die Preise um und auf diesem Wege zahlen alle Zinsen, egal ob sie Schulden haben oder nicht. Zinsen verteilen also von der breiten Masse der Bevölkerung zu einer kleinen besonders wohlhabenden Minderheit um.

Was haben Zinsen mit Wirtschaftswachstumszwang zu tun?

Werden mit der Zeit immer mehr Geldvermögen durch Zins und Zinseszins akkumuliert, so wachsen zwangsläufig auch die den Geldvermögen zufließenden Zinszahlungen immer weiter. Je höher das angehäufte Kapital umso höher die diesem weiterhin zufließenden Zinsen. Dadurch wird das Kapital weiter angehäuft, was zu einem immer weiter beschleunigten Wachstum führt. Wie gezeigt müssen diese Zinsen jedoch von der Wirtschaft erarbeitet werden. Wenn jedoch die Zinslasten immer weiter steigen, so muß auch die Wirtschaftsleistung im Ganzen steigen. Täte sie es nicht, so würde für die arbeitende Bevölkerung immer weniger bleiben, da die Zinslasten einen immer größeren Anteil am Gesamtkuchen der Wirtschaft fordern. Der Wachstumszwang der Volkswirtschaften ergibt sich also (zumindest auch!) aus dem exponentiellen Wachstum der Geldvermögen. Nur ein Zinssatz von 0% führt zu einer Stagnation der Geldvermögen und einer auf 0 fallenden Zinsbealstung der Volkswirtschaft und erst dann ist eine Wirtschaft ohne Wachstumszwang überhaupt möglich. Eine Diskussion darüber, die Wirtschaft einfach nicht mehr wachsen zu lassen führt bei einer Akzeptanz des Zinssystems zu weiter steigenden Kapital- und damit sinkenden Arbeitseinkommen - was einen Wohlstandsverlust für die breite Masse der Bevölkerung betrifft.

Warum ist Umweltschutz in einem Zinssystem langfristig unmöglich?

Wie gezeigt erzwingen Zinsen Wirtschaftswachstum - und zwar um jeden Preis! Wie bei Telepolis gezeigt http://www.heise.de/tp/deutsch/special/eco/16853/1.html stecken wir in einer Abhängigkeitsfalle: Wir müssen uns selbst allen möglichen Mist verkaufen, um das System am Laufen zu halten. Wir verkaufen also auch Waffen oder wir verkaufen uns Medizin, die wir nicht brauchen und wir BRAUCHEN die Einweg-Industrie, da Einweg-Produkte immer wieder neu produziert werden müssen und so für das nötige Wachstum des Kapital-Ismus sorgen. Unser Wirtschaftssystem zwingt uns über den aus dem Zinssystem ableitbaren Wirtschaftswachstumszwang zu einer zerstörerischen und umweltverschmutzenden Wirtschaftsweise. Langfristiger Umweltschutz ist mit einem Zinssystem nicht möglich, da die exponentiell wirkenden wirtschaftlichen Kräfte stärker sind als jeder Idealismus. Welche weiteren Wirkungen Zinsen in der Wirtschaft auf die Umweltproblematik haben liest man hier: http://www.killerzins.de/texte/klimakiller_killerzins.php

Warum sorgt unser Geldsystem für Wirtschaftskrisen?

Jedes Wirtschaftssystem, welches Zins akzeptiert, akzeptiert somit ein exponentielles Wachstum seiner Geldvermögen und damit seinen eigenen Kollaps. Ein Kollaps eines Wirtschaftssystems geschieht jedoch nicht von heute auf morgen, sondern schleichend. Wie sieht ein Wirtschaftskollaps wohl aus? Geht er mit Arbeitslosigkeit, gesellschaftlichem Niedergang und Verfall, übereilten und undurchdachten ökonomischen Rettungsversuchen einher? Kommt uns das bekannt vor? Wir sind mittendrin in einem Kollaps unseres Wirtschaftssystems. Wie dies aufgrund des Geldes konkret geschieht habe ich ebenfalls bei Telepolis erläutert http://www.heise.de/tp/deutsch/special/eco/16514/1.html Warum führt ein zinsloses Freigeld http://www.dada.at/niemand/discuss/msgReader$438?mode=day nun zu einem wirtschaftlichen Aufschwung? Zuerst muß festgehalten werden, daß wirtschaftlicher Aufschwung nicht zwangsläufig Wirtschaftswachstum bedeutet. Das bedeutet es nur in unserem heutigen Wirtschaftssystem. Wirtschaftlicher Aufschwung kann ebensogut bedeuten, daß wir von Jahr zu Jahr "nur" das gleiche produzieren (also ohne Wachstum). Aber wenn leistungslose Kapitaleinkommen sich nicht mehr ihre Scheibe von der Wirtschaftsleistung abschneiden können, wird diese logischerweise viel gleichmäßiger unter denen verteilt, die wirklich Leistung erbringen (und diese sich nicht durch die Bereitstellung von Besitz "ergaunern"). Wir beobachten heute ein seltsames Phänomen: Überall fehlt das Geld, weshalb Leute arbeitslos werden und die Welt langsam aber sicher in sich zusammenfällt. Zugleich aber sind die Deutschen mit fast 4 Billionen Euro Geldvermögen "reich" wie nie zuvor. Eigentlich kann also kein Geld fehlen, es tut es aber trotzdem. Dieser Widerspruch wird von den meisten, die sich mit Wirtschaft befassen, so gut wie gar nicht zur Kenntnis genommen und entsprechend nicht nach den Ursachen geforscht. Daß diese Situation aus dem Geldsystem selbst kommen könnte, wird entsprechend nicht untersucht, stattdessen macht man sich mangels Verständnis über jene lustig, die diese Ursachenforschung etwas weiter betrieben haben. Siehe dazu auch meine Diplomarbeit, die ich an der TU Dresden zu dem Thema schreiben durfte http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/diplomarbeiten/rost/ueaf.pdf.

Widerspricht sich also wirtschaftlicher Aufschwung und Umweltschutz?

Nein! Eine zinslose Wirtschaft würde uns überhaupt erst in die Lage versetzen, nicht mehr allen Dreck produzieren und konsumieren zu müssen, um den Wachstumszwang aufrecht zu erhalten. Eine zinslose Wirtschaft würde überhaupt erst die Möglichkeit bieten, über alternative Produktionsmethoden nachzudenken. Den zerstörerischen Wachstumszwang zu beenden wäre bereits ein Meilenstein eines ökologischen Wirtschaftens, eine zinslose Wirtschaft bietet jedoch durch günstige Kredite auch jenen die Möglichkeit zu wirtschaften, die auf Öko und Bio setzen wollen. Heute sind Kredite für diese Wirtschaftsbereiche einfach zu teuer, da die dominierende industrielle Produktion viel preiswerter in Massenproduktion arbeiten kann. Jeder Prozentpunkt Kapitalkosten (Zinsen!) sind eine Hürde, die ökologisch orientierten Unternehmen das Genick bricht.

Gibt es heute überhaupt noch Geldhortung? Das ist schließlich ein Hauptargument der Freiwirtschaft.

Nur jene, die sich nur oberflächlich mit den Aussagen der Freiwirtschaftstheorie befaßt haben, kommen in sekundenschnelle zu dem Schluß, Geldhortung tritt heut nicht mehr auf. 1. Bei der Umstellung von DM auf Euro wurden Milliarden und Abermilliarden aus Spardosen und Nachttischen geholt.

2. Es geht nicht nur um die direkte Hortung, sondern zum Beispiel um die Haltedauer des Geldes. Schlechte Zahlungsmoral ist nichts anderes als langsam weitergegebenes Geld. Diese Verzögerung im Wirtschaftskreislauf ruft aber eine Kettenreaktion bei den Unternehmen hervor, die in der Folge auf ihr Geld warten. Dies sorgt für Insolvenzen und Arbeitslosigkeit.

3. Es gibt 2 Arten von Hortung: Statische und dynamische. Statische Hortund ist die Hortung unter der Matraze. Dynamische Hortung ist jedoch viel dominierender! Bei dynamischer Hortung kreist das Geld zwar weiterhin in der Wirtschaft, aber nicht im Realgüterkreislauf, sondern im Spekulationskreislauf. Grade bei Attac sollte man wissen, welche Massen an Gelder grade nicht dazu benutzt werden, um die Leistungen der Menschen zu tauschen, sondern um virtuelle Güter wie Aktien oder Fremdwährungen zu handeln. 98% aller Gelder kursieren an den Börsen, nur 2% im Realgüterkreislauf. Aus Sicht der Realwirtschaft sind somit 98% aller Gelder gehortet! Sie sind für die Menschen, die ihre Leistungen tauschen wollen, schlicht nicht vorhanden. 98%! Also: Gibts heute Geldhortung? Und kann diese Geldhortung ein Problem darstellen? Ich denke schon.

Ist die Freiwirtschaft eine verkürzte Kapitalismuskritik?

Dazu muß man "Kapitalismus" erstmal definieren. Und bei Definitionen grade im politischen Bereich stößt man eigentlich immer auf subjektive Eindrücke! Definiert man Kapitalismus als ein Wirtschaftssystem, in welchem durch Herrschaftsmittel wie Monopole (Geldmonopol!) die Leistungen der arbeitenden "abgeschöpft" werden, so versucht das Konzept der Freiwirtschaft zumindest eines dieser Abschöpfungsmittel (Zins=Leistungslose Kapitaleinkommen) zu zerbrechen. Man kann der Freiwirtschaft Verkürzung unterstellen, weil kein gesellschaftliches Gesamtkonzept um sie herum aufgebaut ist. Man kann das als Nachteil, aber auch als Vorteil ansehen. Die Freiwirtschaftstheorie ist ein Werkzeug, um heutige Fehler im Wirtschaftssystem zu beschreiben und Möglichkeiten zu ihrer Behebung aufzuzeigen. Die Theorie ist gar nicht als gesellschaftliche Utopie konzeptioniert! Das wiederrum bietet die Möglichkeit, weitere politische, spirituelle, religiöse oder andere Ideen um die Theorie zu ergänzen. Wie oben gezeigt (CGW) passiert dies z.B. im christlichen Rahmen. Und natürlich ist es nicht verwunderlich, daß auch die Nationalisten sich dieser im Kern ideologiefreien Wirtschaftstheorie bedienen. Das wiederum sollte Attac aber eher dazu bringen, sich mit etwas mehr Verständnis dem Problem zu nähern. Denn es besteht die Gefahr, daß wie in den 1930ern die Nationalisten sich der Theorie bemächtigen. Die Theorie bietet nämlich einen besonderen Ansatzpunkt, den andere Wirtschaftstheorien einfach nicht bieten: Einfache, mathematische Logik. Daß ein Zinssystem durch exponentielles Wachstum der Geldvermögen allein aus mathematischen Gründen nicht ewig funktionieren kann, kapiert jeder, der in Mathe ein bißchen aufgepaßt hat. Insofern ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich die Menschen dieser mathematischen Logik öffnen werden. Und dann steht die Frage, welche politische Richtung mit der Freiwirtschaftstheorie kombiniert ist und die Menschen "in Empfang" nimmt. Ein zweiter Hitler ist nämlich (leider) nicht ausgeschlossen. Die Zeiten werden rabiater, die Wirtschaft immer wackeliger und die Menschen immer ungeduldiger. Und da hilft es überhaupt nicht, wenn AttacDresden mit polemischen, unüberlegten und oberflächlichen Verrissen an die Öffentlichkeit tritt anstatt sich einer offenen Diskussion zu stellen.

Weitergehende Literatur:

Bernard Lietaer (ehemaliger belgischer Zentralbankier): Das Geld der Zukunft Bernd Senf (VWL-Prof in Berlin): Die blinden Flecken der Ökonomie, Nebel des Geldes Geldreform-Archiv: http://www.geldreform.de

Norbert


Norbert von der freiwirtschaftlichen Organisation NWO Dresden behauptet:
Ansonsten strotzt der von Holger geschriebene und von Uwe ins Netz gestellte Text von Vorurteilen. Eigentlich beschämend, daß AttacDresden sich mit solchen sachlich schlecht recherchierten Texten überhaupt in die Öffentlichkeit wagt.

Leider bleibt er den Beweis für diese Behauptung schuldig. Im Gegenteil bestätigt er einen Teil der Aussagen von Holger. Auf die geäußerten Kritik-Punkte geht er nicht ein. Stattdessen erklärt er, warum der Zins schlecht ist, was überhaupt nicht bestritten wurde.

Glücklicherweise kenne ich auch Freiwirtschaftler, die versuchen, sachlich zu argumentieren. Aber auch sie konnten keine der Kritikpunkte widerlegen. Ich würde deshalb auch die übrigen Freiwirtschaftler bitten, nicht nur ihre eigenen Positionen zu vertreten und Kritiker zu verleumden, sondern sich mit den geäußerten Kritikpunkten auseinander zu setzen. Danke im Voraus dafür.

Uwe


Ach Uwe, ich denke schon, daß ich meine Behauptung begründet habe. Nochmal, sie lautet: Holger hat einen schlecht recherchierten Text ins Netz gestellt, weil er nicht versucht hat, das Denken, welches hinter den freiwirtschaftlichen Thesen steht, nachzuvollziehen. Er betrachtet (für wirtschaftswissenschaftliche Analysen irrelevante) Organisationen, befaßt sich polemisch mit einigen "Versprechungen" mancher "Freiwirtschaftler" und führt ein polemisches Interview mit sich selbst. Den einzigen sachlichen Kritikpunkt äußert er, wenn es darum geht, die Machtverhältnisse zu beleuchten. Er stellt die Theorie damit in eine Ecke, die ganz offensichtlich mit seiner persönlichen Ablehnung zu tun hat. Das kann er ja gern machen, aber es ist ein sehr schlechter Stil der Auseinandersetzung. Dies habe ich behauptet und zu belegen versuchte ich es, indem ich auf die Wichtigkeit der durch die Freiwirtschaft angesprochenen Thesen eingegangen bin.

Natürlich hilft es bei Diskussionen nicht, wenn jede Seite nur ihre Thesen wiederholt, aber die Aussagen Holgers sind keine (sondern reine Polemik) und dem muß man ja erstmal diskussionswürdige Thesen gegenüberstellen. Das habe ich versucht. Eine Antwort deinerseits bleibt aus.

Gehen wir auf die Machtverhältnisse ein, aus meiner Sicht der einzige Punkt, den Holger zurecht kritisiert. Aber offenbar gehört er nicht zu denen, die die Debatte suchen - denn ich denke, er würde entsprechende Antworten bekommen.

Marktmechanismus wirkt antizyklisch: Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Steigt die Nachfrage, weil Menschen Bedürfnisse entwickeln, steigt der Preis. Steigt der Preis lohnt es sich für Anbieter, mehr zu produzieren, um den temporären Gewinn aus der möglichst schnellen und optimalen Befriedigung der Nachfrage abzuschöpfen. Dadurch kommt aber Angebot und Nachfrage wieder ins Gleichgewicht, der Preis sinkt wieder auf den Gleichgewichtspreis, bei welchem Kosten=Einnahmen sind.

So sieht das marktwirtschaftliche Ideal aus, ein selbstregulierendes System, bei welchem der Preis antizyklisch wirkt. Wir wissen, daß dieses Ideal nicht der Realität entspricht und da sind wir bei den Machtverhältnissen.

Macht des einen bedeutet immer Abhängigkeit des anderen. In Verbindung zu obigem Marktmodell gebracht, bedeutet Macht, daß einer der Akteure den Preis beeinflussen kann, ohne die Marktmechanismen wirken zu lassen. Macht in einer Marktwirtschaft hebelt also die Marktwirtschaft selbst aus und macht sie zum Kapitalismus. Marktwirtschaft ist, wenn sie obigem Ideal entspricht, extrem optimierend, da ohne externes Zutun Angebot und nachfrage in ein Gleichgewicht gelangen können (für dich mag diese Aussage "neoliberal" erscheinen, für mich ist der Markt ein Werkzeug des Menschen zur möglichst reibungslosen Befriedigung der entstehenden Bedrüfnisse).

Setzen wir das Macht-Abhängigkeits-Problem in Kontext zum Zins, so stellen wir fest: Wer viel Geld hat, bekommt mehr Geld. Geld ist Macht, was bedeutet: Wer viel Macht hat, bekommt mehr Macht. Dies ist das Problem des Kapitalismus und der Zins wirkt hier als prozyklisches (also seine Ursache - Machtverschiebung - verstärkend). Zins und Macht sind in einer Geldwirtschaft also 2 sehr eng zusammenhängende Komponenten!

Nun kann man daran kritisieren, daß der Zins allein nicht das Problem ist, sondern beispielsweise die Rendite. Wer so argumentiert kann sich mit dem Denken der "Freiwirtschaft" nicht ausreichend befaßt haben. Denn: Zins und Rendite sind zwei Seiten der selben Medaille. Eine Begründung liefert das Opportunitätskostenprinzip. Dieses besagt: Jeder wählt die für ihn lukrativeste Entscheidungsmöglichkeit. Bezogen auf die Wahl zwischen Investitionen in die Realwirtschaft oder Bankanlagen bedeutet das: Eine Investition findet nur statt, wenn sie mindestens soviel abwirft, wie der Zinssatz für Bankanlagen verspricht. Die Rendite von Investitionen in einer Volkswirtschaft orientieren sich somit an der Zinshöhe - Renditen sind somit Zinsen auf eingesetztes Kapital.

Nach den Gesetzen von Angebot und Nachfrage sinkt der Preis eines Gutes, wenn das Angebot steigt. Bei einem gesättigten Markt müßten die Renditen also auf 0% sinken. Dies passiert aber nicht, weil der Zinssatz größer 0% ist (warum, dazu später). Somit hebelt ein positiver Zinssatz das Wirken des Marktmechenismus aus und hebt die Renditen auf ein "unnatürlich" hohes Maß. Ohne den Zinssatz gegen Null zu drücken werden die Renditen also dank Opportunitätskostenprinzip NIE gegen Null sinken können.

Warum kann der Zinssatz nicht auf 0% sinken? Hierbei spielt Macht wiederrum eine große Rolle. In unserer arbeitsteiligen Gesellschaft sind wir hochgradig auf Geld als Tauschmittel angewiesen. Wir können uns nicht allein ernähren, wir müssen unsere Arbeitsleistung gegen Nahrung am Markt eintauschen - und Tauschvorgänge funktionieren in einer Geldwirtschaft nur über Geld. Geld ist somit essentiell und dominiert das Tauschgeschäft. Fehlt Geld, kommt in einer Geldwirtschaft kein Tausch zustande - die Wirtschaft stockt.

Nun gibt die Quantitätsgleichung vor, daß die Geldmenge und ihre Umlaufgeschwindigkeit das Preisniveau abhängig von der Gütermenge bestimmt. Unser Geld ist aber nicht als reines Tauschmittel ausgelegt, sondern AUCH als Wertaufbewahrungsmittel. Machen nun vor allem jene Gebrauch von der Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes, horten es also zu hause, wie derzeit Warren Buffett ( http://www.faz.net/s/Rub953B3CA2BF464733A4CE1452B70B2424/Doc~EA442121F1F154916B82BFCC83DF02B20~ATpl~Ecommon~Scontent.html ) so sinkt die im Markt zirkulierende Geldmenge. Deflation, also sinkende Preise sind die Folge. Die Folge von Deflation ist Wirtschaftskrise.

Hierbei zeigt sich also die Auswrikung der Macht der Geldbesitzenden gegenüber dem Rest der Wirtschaftsteilnehmer: Ihr Entzug von Geld aus dem Kreislauf unterbricht diesen und führt zu Krisen, woraufhin die Zinssätze steigen - um eben das entzogene Geld wieder in den Kreislauf hineinzuführen. Steigende Zinsen sorgen aber - siehe Opportunitätskostenprinzip - wieder zu steigenden Renditen und verschärfen somit das Ausbeutungsniveau. Gleichzeitig führt die Zinszahlung aber zu einer weiteren Machtverschiebung hin zu den Geldbesitzenden.

Wenn man sich eine Wirtschaft mit einem Geld vorstellt, welches nicht als Tauschmittel dem Kreislauf entzogen werden kann und demzufolge eine Sättigung des Kapitalmarktes einen korrekten Preis von 0% nach sich zöge, so sänken mit zunehmender Sättigung des Realgütermarktes auch die Renditen auf 0%. Und nun rechnen wir mal: Investiertes Kapital * 0% = 0. Oder anders: Egal wie viel in eine Wirtschaft investiert ist, ein sinkender Zins würde die Kapitaleinkommen auf 0% sinken lassen (bzw. deren Sinken erst möglich machen). Wie wir wissen, wird das erarbeitete Volkseinkommen in 2 Teile aufgeteilt: Arbeitseinkommen für geleistete Arbeit und Kapitaleinkommen für bereitgestelltes Kapital. Würden die Kapitaleinkommen durch eine Senkung von Zins (und damit Rendite) auf 0% sinken, so würde Volkseinkommen=Arbeitseinkommen entsprechen. Oder um es mit Marx zu sagen: Das erarbeitete Einkommen steht komplett jenen zur Verfügung, die es erarbeitet haben und nicht jenen, die nur "etwas" (Kapital) zur Verfügung stellen, um die Produktion erst möglich zu machen.

Das Problem ist ein sehr simples, die Systemtheorie bietet vielfältige Erklärungsmöglichkeiten. Das Zauberwort heißt "antizyklische Rückkopplungen" - denn diese bringen Systeme ins Gleichgewicht. Der Zins, entstehend aus dem für arbeitsteilige Wirtschaftssysteme fehlerhaften Geldsystem, wirkt aber prozyklisch. Und wie jeder Ingenieur weiß, muß jedes System, in welchem positive Rückkopplungen existieren früher oder später zugrunde gehen. Die Freiwirtschaftstheorie bietet somit nicht nur Erklärungen für zyklische Wirtschaftskrisen, Machtverschiebungen, Massenarbeitslosigkeit, Wachstumszwang usw., sondern zugleich Ansätze zu ihrer Lösung.


Lieber Norbert,

ich hoffe, diese Anrede ist richtig. Der vorhergehende Text wurde nicht namentlich gekennzeichnet. Ich bitte darum, dass zukünftig der Namen darunter geschrieben wird.

Norbert behauptet: "Holger hat einen schlecht recherchierten Text ins Netz gestellt". Dieser Teilsatz enthält mindestens eine falsche Aussage. Holger hat ihn zwar geschrieben, ins Netz gestellt habe ich ihn aber. Dies schrieb ich auch ausdrücklich. Und im ersten Text von Norbert wird dies auch erwähnt. Daneben bleibt aber Norbert immer noch den Beweis schuldig, welche konkreten Aussagen von Holger nicht richtig sind. Im Gegenteil befürwortet er z.B. Gewinn und bestätigt damit Holgers Aussagen. Statt also Holgers Argumente zu widerlegen, startet er unsachliche Angriffe: "Ansonsten strotzt der von Holger geschriebene und von Uwe ins Netz gestellte Text von Vorurteilen. Eigentlich beschämend, daß AttacDresden sich mit solchen sachlich schlecht recherchierten Texten überhaupt in die Öffentlichkeit wagt.", "polemischen, unüberlegten und oberflächlichen Verrissen", "befaßt sich polemisch mit einigen "Versprechungen" mancher "Freiwirtschaftler" und führt ein polemisches Interview mit sich selbst", "Den einzigen sachlichen Kritikpunkt", "ein sehr schlechter Stil", "aber die Aussagen Holgers sind keine (sondern reine Polemik)", "Aber offenbar gehört er nicht zu denen, die die Debatte suchen" usw. Offensichtlich ist das genau die Sorte von Antworten, die von dieser Sorte Freiwirtschaftler zu erwarten ist. Norbert, ich erinnere Dich auch daran, was Deine Antwort war, als ich versucht habe, mich sachlich mit Deinen Behauptungen auseinanderzusetzen: Du brachst die Diskussion mit der Aussage ab, dass ich eine gute Sache schlecht machen will. Anschließend versuchtest Du andere Personen für die Freiwirtschaft mit der Aussage zu gewinnen, dass die Gedanken der Freiwirtschaft doch gut klingen.

Glücklicherweise habe ich auch Freiwirtschaftler erlebt, mit denen ich zumindest diskutieren konnte.

Aber jetzt zu den inhaltlichen Aussagen von Norbert. Sie sagen zwar nichts gegen Holgers Aussagen. Trotzdem hätte ich ein paar Ergänzungen zu machen.

Die Kritik am Zinssystem ist nicht spezifisch für die Freiwirtschaft. Diese Kritik wird von vielen anderen Personen / Gruppen geteilt. Spezifisch für die Freiwirtschaft sind dagegen nach meinen Erfahrungen:
  1. Die Einführung einer Geldgebühr / Geldsteuer / Umlaufsicherungsgebühr /Liquiditätsgebühr wird gefordert. Diese soll analog zum Zins im bisherigen System den Unterschied zwischen frei verfügbarem Geld und angelegtem Geld sichern. Sie soll also den Zins ersetzen. Allerdings behauptet die Freiwirtschaft, diese Gebühr hätte nur die positiven, aber nicht die negativen Eigenschaften des Zinses. Einen Beweis dafür konnte mir noch kein Freiwirtschaftler nennen.
  2. Die Freiwirtschaft (und einige andere Theorien) unterscheiden zwischen dem guten Gewinn und dem schlechten Zins.
Damit teile ich die Kritik am Zinssystem. Deshalb brauche ich nicht weiter darauf einzugehen. Allerdings ist es auch eine beliebte Methode von Freiwirtschaftlern, ihre Theorie allein damit zu verbreiten, wie schlecht das Zinssystem ist. Dies ist für viele einsichtig. Dann durchschauen sie aber nicht, dass die beiden genannten spezifischen Eigenschaften der Freiwirtschaft nicht aus der Kritik am Zinssystem folgen. Statt dessen zeigt meine bisherige Erkenntnis, dass sie die gleichen negativen Folgen wie das Zinssystem haben. Dies wird von Freiwirtschaftlern gerne vertuscht.

Nun zu vielen anderen Aussagen von Norbert in der Reihenfolge des Textes. Aus Platzgründen gehe ich nicht auf jede Kleinigkeit ein (z.B. verläuft selbst exponentielles Wachstum nie senkrecht).

Gegenwärtig sind die Zinsen relativ niedrig. Unternehmensgewinne steigen dagegen an. Auf Druck der Kapitalbesitzenden wurden außerdem die Steuern auf Kapitalbesitz und auf Gewinn massiv gesenkt. Gleichzeitig werden Sozialleistungen massiv gekürzt. Das Problem sind also nicht nur die Zinsen, sondern jede Form von Kapitaleinkommen. Somit führt eine Abschaffung der Zinsen (selbst ohne Umlaufsicherungsgebühr) nicht automatisch zu einer gleichmäßigeren Verteilung des Produzierten, solange die übrigen Umverteilungsmechanismen zu den Kapitalbesitzenden weiter wirken. Das hat z.B. gegenwärtig die Folge, dass sowohl brutto (vor Steuern) als auch netto trotz niedriger Zinsen die Einkommen von den abhängig Beschäftigten hin zu den Kapitalbesitzenden umverteilt werden.

Die Leute werden nicht erwerbslos , weil das Geld fehlt. Sie werden erwerbslos, weil ihnen die Mittel zur Versorgung genommen wurden und weil diejenigen, die die Mittel haben, sie nur einsetzen, um Gewinn erwirtschaften zu lassen (was Norbert ausdrücklich akzeptiert). Dies würde auch funktionieren, wenn es überhaupt kein Geld geben würde. Wenn eine Minderheit immer mehr haben will und die Möglichkeiten dazu hat, aber nur eine begrenzte Menge vorhanden ist, sammelt sie sich bei dieser Minderheit an. Damit ist die Versorgung der großen Mehrheit nicht mehr gewährleistet, selbst wenn genug für alle da ist (siehe z.B. Die kleinen Leute von Borka).

Damit nützt eine zinslose, aber gewinnorientierte Wirtschaft der Umwelt überhaupt nichts. Es wird ja weiterhin das produziert, was Gewinn verspricht und nicht das, was ökologisch und sozial sinnvoll ist.

Wie bereits erwähnt, nicht die Geldhortung ist das Problem , sondern die ungleiche Kapital- und damit Machtverteilung. Zu Zeiten, in denen das Bargeld tatsächlich knapp war, behalf man sich mit Schuldverschreibungen, z.B. in Form von Notgeld (z.B. gegen Ende des 1.Weltkrieges und kurz danach). Die angeführten Beispiele von Hortung zeigen eher, dass mehr Geld und Wertpapiere im Umlauf sind, als für reale Tauschverhältnisse tatsächlich benötigt werden, selbst wenn akzeptiert würde, dass alle Tauschverhältnisse über Geld abgewickelt werden müssten. Nicht die Geldmenge, deren Umlaufgeschwindigkeit und die Gütermenge bestimmen das Preisniveau, sondern das Preisniveau und die Gütermenge bestimmen die benötigte Geldmenge. Bei vorhandener Geldmenge ergibt sich daraus deren Umlaufgeschwindigkeit. Somit entstehen Krisen nicht aus fehlendem Geld, sondern aus ungleichmäßiger Besitzverteilung, speziell von Kapitalbesitz.

Freiwirtschaft will den Zins durch die Umlaufsicherungsgebühr ersetzen. Die übrigen Gewinnformen werden überhaupt nicht angetastet. Und Monopole gibt es nicht nur im Geldbereich, sondern auch im produzierenden und im Handelsbereich. Dies ist ja auch kein Wunder. Überall dort wirkt der Effekt, dass je größer der Kapitalbesitz ist, desto größer sind die Konkurrenzvorteile und damit die Macht. Verbunden mit dem Streben nach dem Ausbau der Macht sind Monopolisierungstendenzen die logische Folge eines gewinnorientierten Systems. Genau dieses will aber Norbert und mit ihm viele andere Freiwirtschaftler beibehalten.

Gerade die Befürwortung des Gewinnes und die Unterscheidung von Zins und Gewinn ist nicht ideologiefrei. Die Befürwortung des Gewinns ist die herrschende Ideologie. Attac bekämpft gerade diese herrschende Ideologie: "Eine andere Welt ist möglich."

Norbert, könntest Du bitte Deinen Leuten von der NWO mitteilen, dass sie zu einer für wirtschaftswissenschaftliche Analysen irrelevanten Organisation gehören. Dies war mir neu. Aber das war auch nicht die Aussage von Holger. Ihm ging es um Organisationen, die sich in der Nachfolge von Silvio Gesell zur Freiwirtschaft bekennen. Außerdem fasst er die Behauptungen zusammen, die auch ich von Freiwirtschaftlern gehört habe und verarbeitet diese in einem Dialog (einer literarischen Form). Im Verhältnis zu Norberts Stil geht er dabei sehr sachlich vor. Aber auf Norberts Stil will ich nicht weiter eingehen.

Welche Antworten ich bisher von einigen Freiwirtschaftlern erhielt, erwähnte ich bereits. Aber selbst von denen, mit denen ich diskutieren konnte, lief das meist so ab: Mir wurde ein Beispiel genannt, wonach die Freiwirtschaft angeblich besser sei als das gegenwärtige System. Ich wies an diesem Beispiel nach, dass das beide zu gleichartigen Ergebnissen führen. Daraufhin wurde von den Freiwirtschaftlern nach dem nächsten Beispiel gesucht. Wenn sie nicht weiterwussten, wurde ich an ihre Vordenker verwiesen. Ich fand nie den Versuch, sich wirklich mit meiner Argumentation auseinanderzusetzen. Immer wurde nur versucht, mich zu überzeugen. Mit missionarischem Eifer bei gleichzeitigem Fehlen von Argumenten machte ich schon bei anderen Leuten schlechte Erfahrungen.

Norbert dürfte bekannt sein, dass das von ihm beschriebene Marktsystem nur unter bestimmten Voraussetzungen gilt. Offiziell genannt werden z.B., dass alle Marktteilnehmenden einen vollständigen Marktüberblick besitzen, dass möglichst billig gekauft und möglichst teuer verkauft werden soll. Kriterien wie persönliche Bindungen und Vorlieben, räumliche Nähe, Gewohnheiten usw. spielen keine Rolle. Außerdem wird auch vorausgesetzt (ohne es zu nennen), dass keine Person darauf angewiesen ist, etwas zu kaufen bzw. zu verkaufen. Wenn also jemand Hunger leidet, kann er angeblich solange warten, bis die Preise für Lebensmittel auf ein erträgliches Maß gesunken sind. Aber selbst in Märkten, wo alle diese Voraussetzungen erfüllt sind (wie z.B. die Börse) ist das Ergebnis keine Preisstabilität, sondern massive Preisschwankungen. Damit ist diese ganze Theorie durch die Realität widerlegt. Was ist der Unterschied zwischen der Verbreitung einer widerlegten Theorie und einer Ideologie?

In Wirklichkeit ist es so, dass Personen, die nach marktbeherrschenden Stellungen streben und einen kleinen Vorteil haben (z.B. begehrtere Produkte) diesen nutzen können, um ihren Vorteil auszubauen. Ein geldregulierter Markt (und nicht nur das Zinssystem) wirkt immer prozyklisch. Nach Norberts Definition ist geldregulierte Marktwirtschaft immer Kapitalismus.

Einerseits erklärt Norbert, dass aller Zins erwirtschaftet werden muss, andererseits unterscheidet er streng zwischen Investitionen in die Realwirtschaft und Bankanlagen. Zusätzlich behauptet er, dass sich die Renditeerwartungen an den Zinsen orientieren. Da müssten sie aber jetzt sehr niedrig sein. Statt dessen sieht es eher so aus, dass es gewisse Renditeerwartungen unabhängig vom Zinssatz gibt. Ob diese Renditeerwartungen dann durch Gewinn aus Produktion bzw. Handel, Vermietung bzw. Verpachtung, durch Spekulationsgewinne, durch die Vermeidung der Umlaufsicherungsgebühr oder durch Zinsen erfüllt werden, ist demgegenüber zweitrangig. Selbst eine Abschaffung des Zinses (falls das geht) würde also die Kapitaleinkommen nicht auf 0 sinken lassen.

Somit ist die Freiwirtschaft höchstens zur Erklärung des Zinssystems verwendbar. Aber da gibt es auch andere Theorien. Die übrigen Zusammenhänge verschleiert sie eher. Eben deshalb dient sie zur Stabilisierung des kritisierten Systems, statt einen Beitrag zur Lösung des Problems zu leisten.

Uwe


Das Ganze Missverständnis der Freiwirtschaft lässt sich auf einen Satz bringen: "Von nichts kommt nichts". Sie gehen davon aus, dass das reale Geldvermögen grundsätzlich ansteigt, egal ob produziert wird oder nicht. Dass Zinseinkommen "leistungslos" sind, ist ein Klischee aus den düsteren 30ern Jahren, das "raffende Kapital".

Übrigens Norbert: Deine Zinskritik wäre um einiges glaubwürdiger, wenn Du Dein Geld nicht mit dem Vermitteln von Kreditkarten verdienen würdest. --~~~


Lieber Uwe,

ich hoffe sehr, daß du einen Job hast, der nicht im mindesten mit der kapitalistischen Wirtschaftsweise zu tun hat und daß du dein Geld nur - und nur! - dort ausgibst, wo niemand direkt oder indirekt ausgebeutet wird. Dann gehörst du zu den wenigen Menschen auf diesem Planeten, die sich nichts zuschulden kommen ließen. Leider ist mir dieser Luxus nicht vergönnt und ich muß schauen - genau wie die Mehrzahl der meist ziemlich blinden Wesen auf diesem Planeten - wie ich mit dem Arsch an die sprichwörtliche Wand komme.

Ich möchte dir zu diesem Thema nebenbei Hartges Law ans Herz legen:

Wer mit den Lebensumständen einer anderen Person argumentiert, um diese Person dadurch anzugreifen oder in ein schlechtes Licht zu rücken, hat keine Argumente mehr und damit automatisch verloren.

Nun argumentierst du die ganze Zeit mit dem, was ICH sage. Wir kommunizieren hier aber nicht über mich, sondern über eine Theorie. Wenn du also eine Theorie widerlegen willst, so solltest du dich mit ihr befassen und nicht nur mit dem, wie ich versuche, hier deine Argumentation zu widerlegen. Damit widerlegst du allerhöchstens meine Widerlegeung, aber niemals die Theorie, um die es geht. Das ganze nennt man Logik.

Als nächstes möchte ich darauf hinweisen, daß ich mich zwar für dich freue, daß du der Meinung bist, die Wirklichkeit zu kennen (deine Aussagen beinhalten ja häufiger die Worte "Realität" und "Wirklichkeit"), ich möchte dir aber zur Kenntnis geben, daß die moderne Psychologie und Wahrnehmungsforschung zu der Erkenntnis kam, daß es sowas wie eine absolute Realität nicht gibt. Ich halte es deshalb für extrem unwahrscheinlich, daß zufälligerweise du der glückliche sein darfst, die Realität zu erkennen. Nun, wenn es so ist, werde ich mich einfach von der Verteidiger- in die Angreiferposition bewegen und dich um ein paar Antworten bitten:

  • Was sagst du zu der [Aussage Prof. Timmermanns | http://www.feldpolitik.de/feldblog/item.php?i=137], daß das heutige Geldsystem einen Widerspruch beinhaltet, der zu Wirtschaftskrisen führen kann?
  • Hast du [meinen Artikel zum Thema Monopole | http://www.heise.de/tp/deutsch/special/eco/16853/1.html] oder den zum Thema [Umweltzerstörung | http://www.killerzins.de/front_content.php?client=1&lang=1&idcat=12&idart=13&m=&s=] oder auch meine [Marktkritik | http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/mein/14406/1.html] oder auch meine [Marktbefürwortung | http://www.feldpolitik.de/feldblog/item.php?i=198] gelesen? Diese Artikel möchte ich dafür empfehlen, um deinen Aussagen entgegenzutreten, die sogenannten "Freiwirtschaftler" kümmerten sich nicht um Dinge, die außerhalb des Zins-Themas liegen. Damit hast du bei einigen durchaus Recht, aber ich würde mich freuen, wenn du von deinem hohem Roß steigst und auch mal UNS zuhörst. (Und nebenbei will ich dich darauf hinweisen, daß ich inzwischen eine Menge Attacies kenne, welche die freiwirtschaftlichen Ideen durchaus für relevant halten. Selbst in der Alternativen Weltwirtschaftsordnung (AWWO) ist inzwischen ja eine Freigeld-Position vorhanden. Entsprechend solltest du vielleicht mal "nach innen" abchecken, wie die Meinungen so sind und nicht nur DEINE Wahrheit hier herausposaunen.)
  • Daß das Problem nicht nur beim Zins sondern bei allen Kapitaleinkommen liegt kannst du beispielsweise [hier | http://www.killerzins.de/front_content.php?client=1&lang=1&idcat=12&idart=10&m=&s=] nachlesen. Ich sag ja, du hättest einfach mal recherchieren sollen...
  • Welche Ursache-Wirkungs-Erklärung hast du für den Wachstumszwang, welchen unser Wirtschaftssystem ja offenbar hat?
  • Woher hast du die Definition eines Marktes, in welchem ansolute Transparenz herrschen muß und in welchem persönliche Bindungen keine Rolle spielen? Aus meiner Sicht spiele ich Marktwirtschaft, wenn ich mich entscheide, zu einem Händler zu gehen (bei dieser Entscheidung kann ich sehr wohl persönliche Vorlieben oder Bindungen mit einfließen lassen) und mit diesem Geld gegen Leistung nach vorhergehender Verhandlung zu tauschen. Wieso unterliegt dein Marktverständnis solchen seltsamen Zwängen, meines aber nicht? Was denkst du, wie die breite Masse der Bevölkerung den Markt versteht und nutzt?
  • Wenn du ein Problem mit Monopolen hast, warum attackierst du dann nicht mal das Geldmonopol, welches seinerseits eben Grund dafür ist, daß wir heute nur ein Geldsystem haben und ein zweites nur schwer ausprobieren können? Würde sich denn Attac-Dresden an der Etablierung eines regionalen, zinsfreien Geldes unterstützend beteiligen?
  • Hast du das von Attac empfohlene Buch "Wie wir wirtschaften werden" gelesen, in welchem es ebenfalls um die Probleme in unserem Geld- und Finanzsystem geht? Darf ich dir meine [Diplomarbeit | http://www.geldreform.de/diplomarbeiten/rost/ueaf.pdf] zum Thema ans Herz legen?
  • Glaubst du wirklich, daß Leute, die der Meinung sind sich ernsthaft und ehrlich mit einem für sie wichtigen Thema befassen, solche Aussagen glauben, wie du sie mir offenbar unterstellst: "Wenn also jemand Hunger leidet, kann er angeblich solange warten, bis die Preise für Lebensmittel auf ein erträgliches Maß gesunken sind."? Ich sage nicht, daß ich nicht auch dämlich bin, aber SO dämlich bin ich ganz sicher nicht.

Zu deiner Aussage, Gütermenge und Geldmenge würden die Umlaufgeschwindigkeit bestimmen. Du bemerkst wenige Sätze zuvor, daß ein großes Problem die Verteilungs- und Machtungerechtigkeit ist, übersiehst aber den Widerspruch in diesen beiden Aussagen. Wenn Geld ungleich verteilt ist, kann es entsprechend auch ungleich dem Wirtschaftskreislauf entzogen werden. Reiche entziehen somit mehr als dies Arme könnten. Entsprechend ist die Geldmenge vielleicht noch im Kreislauf vorhanden, aber sie läuft nicht mehr um; sie ist nicht mehr AKTIV. Eine nicht mehr aktive Geldmenge verringert zwangsläufig die aktive Geldmenge. Meinst du ernsthaft, die Leute geben, wenn plötzlich das Geld knapp wird es schneller aus um die Umlaufgeschwindigkeit zu steigern? Ist nicht vielmehr genau das Gegenteil der Fall: Weil überall das Geld fehlt fängt man an, sich einzuschränken und zu sparen und verringert damit die Umlaufgeschwindigkeit einer zugleich sinkenden aktiven Geldmenge? Genau diese Reaktion der menschlichen Psyche ruft den Effekt hervor, daß zwar Millionen Menschen Leistungen anbieten wollen und auch Fremdleistungen nachfragen, aber Angebot (von Leistungen) und Nachfrage (nach Leistungen) eben aufgrund der Geldknappheit nicht zusammenkommt und damit Massenarbeitslosigkeit entsteht.

Würde Geld allerdings "Lagerkosten" verursachen, weil es eine "Nachhaltigkeitsgebühr" trägt, so würde jeder Versuch das TAUSCHMITTEL Geld dem Kreislauf zu entziehen teuer werden. Erst Recht für die Reichen, denn jene haben mehr Geld und müßten entsprechend mehr Gebühren zahlen. Somit würde das Geld dem Kreislauf nicht mehr entzogen werden (bzw. nicht mehr in den Maße wie das bei einem Geld ohne jede Lagerkosten heute möglich ist) und würde der Massenarbeitslosigkeit entgegenwirken. Übrigens hat man genau diese Vorschläge letztes Jahr beim [Future Of Money-Summit | http://www.futureofmoneysummit.com/] diskutiert und wird dies im Frühjahr erneut in New York tun. Nur um mal nebenbei zu bemerken, was in der wissenschaftlichen Szene zu dem Thema los ist.


Lieber Norbert,

wir haben aber nun mal keine Geldknappheit in den Volkswirtschaften, insofern bringt es auch nichts, wenn wir einem vermeintlichen Entzug des Geldes entgegenwirken.

Hinzu kommt: Reiche können einer Geldhaltungsgebühr bzw einer Geldsteuer sehr einfach ausweichen - Arme hingegen nicht. Wenn ich eine Million Euro habe, investiere ich die zum Beispiel in Wohnungen und bekomme Mieten, die ich direkt verbrauchen oder reinvestieren kann. Wenn ich aber als kleiner HartzIV-Empfänger jeden Monat 300 Euro bekomme, muss ich auf mein weniges Geld die volle Gebühr zahlen.

Tammo


Lieber Tammo,

warum spart die Stadt Dresden an ihrer Kultur? Weil ihr das Geld fehlt. Warum bauen die Unternehmen keine neue Jobs auf? Weil ihnen das Geld fehlt. Warum kürzen die Unis? Warum spielt der Staat Hartz IV? Weil allen das Geld fehlt. Nun wirst du argumentieren, es ist ja da, das Geld, es ist nur schlecht verteilt. Dem stimme ich zu. Also holen wir es uns? Gute Idee. Versuch du das gern politisch durchzudrücken, bin ich voll dafür.

Und dann? Dann wirst du feststellen, wie das System wieder dazu neigt, das Geld ungleich zu verteilen. Es wird wieder dazu führen, daß die, die schon viel haben noch mehr kriegen. Der Zins ist eben einer der Effekte, die genau dieses Verteilunsproblem auslösen. Du kannst politisch Gesetze erlassen, die diese ständige Verteilung wieder umverteilen oder du kannst das Geldsystem so umbauen, daß die Verteilung hin zu den Reichen erst gar nicht stattfindet. Ich möchte alle, die an einer ernsthaften wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion zu dem Thema interessiert sind bitten, meine [Diplomarbeit | http://www.geldreform.de/diplomarbeiten/rost/ueaf.pdf] (PDF, 2.6 MB, entstanden an der TUD 2003) zu lesen. Dann wissen wir alle wenigstens, worüber wir reden.

Deine Aussage, Reiche könnten einer Geldhaltegebühr entgehen ist schlicht falsch. Wenn Geld selbst diese Gebühr "mit sich herumträgt", wie es technisch vorgesehen ist, so muß immer zum Zeitpunkt der Gebührenerhebung derjenige die Gebühr zahlen, der das Geld zu diesem Zeitpunkt HAT. Da Geld nie weg ist, sondern immer nur den Besitzer wechselt, muß es also irgendjemand haben. Wirtschaft ist ein geschlossenes System, da kommt nicht einfach irgendetwas weg. Und ganz offensichtlich haben vor allem jene Geld, die man gemeinhin als "reich" bezeichnet. Sie müssen deshalb mehr Gebühren zahlen. Wer "arm" ist, also sowieso sein ganzes Geld immer wieder ausgibt, worauf soll der Gebühren zahlen?

Hinzu kommt: Es läßt sich sehr leicht zeigen, daß in allen Produkpreisen im Schnitt 30% Zinsanteile/Kapitalkostenanteile enthalten sind. Das bedeutet, daß jeder, der einkaufen geht 30% seiner SÄMTLICHEN Ausgaben nur für dieses Kernelement des Kapitalismus ausgibt. Gebühren auf Geld treffen nur die, die Geld haben, nicht die, die es weggeben. Du kannst somit selbst ausrechnen, ob die Armen bei heutiger feudalistischer Abgabenlast von 30% auf ALLE Ausgaben oder bei alternativer Abgabenlast von schätzungsweise 6% jährlich auf alles zurückgehaltene Geld Verlierer sind.

Das Problem der Geldkritik-Kritiker (also beispielsweise DEIN Problem) ist, daß du nur aus individualistischer Sicht auf das Problem schaust. Du mußt die Wirtschaft im Ganzen betrachten und hier stellst du fest, daß Geld ein Tauschmittel ist. Fehlt das Tauschmittel, so können die Leute ihre Leistungen nicht mehr tauschen, Wirtschaftskrisen und Arbeitslosigkeit entsteht. Das geben inzwischen sogar [Mainstream-Wirtschaftler | http://www.feldpolitik.de/feldblog/item.php?i=137] zu, auch wenn sie die Tragweite nicht kapieren.

Oder um es nochmal kurz zu sagen: Es liegt ein Fehler in der Konstruktion unseres Geldsystems. Ich sage nicht, daß dies der einzige Fehler ist, aber hier wird ja immer auf dem Geld rumgehackt, also hacke ich eben mit. Da Geld aber DAS wichtigste Element der Wirtschaft ist, weil nahezu alle wirtschaftlichen Prozesse Geld benutzen, kann man sich halbwegs vorstellen, welche Probleme das auslöst. Hier noch ein Artikel zur Annahme der [Neutralität von Geld | http://www.feldpolitik.de/feldblog/item.php?i=198].

Und nun kommt mal langsam aus der Deckung, liebe Attacies. Ich bin gern bereit, und das haben wir schon mehrfach signalisiert, über das Thema zu reden. Bei der Sommerakademie war ja leider kaum ein Dresdner in unseren und auch nicht in meinen Seminaren zu finden. Nun, euer gutes Recht. Aber vielleicht solltet ihr euch mal in einer offenen Art dem ganzen nähern und euch mal fragen, wieso es so viele Leute gibt (um mal Leute aus dem wirtschaftswissenschaftlichen Bereich zu nennen: Bernard Lietaer aus Belgien, Bernd Senf und Thomas Baetz in Berlin, Binswanger in der Schweiz), die dem Geldsystem eben doch diverse weitgreifende Problematiken unterstellen. Laßt uns ein Seminar veranstalten, ich geb eine Einführung zu dem Problem (und nicht nur den oberflächlichen Zins-Quatsch, den manche "Freiwirte" immer wieder runterreiten) und ihr löchert mit Fragen. Ich hab inzwischen 3 Jahre meines Lebens mit diesem Thema verbracht und es von vorn bis hinten durchgewälzt. Diese ganzen Argumente kenne ich schon in- und auswendig, wo bleibt das NEUE? Ich suche ja selbst noch nach den Lücken in den Thesen, aber man kann sie nicht finden, wenn man nur an der Oberfläche kratzt. Traut euch!

Norbert


Tja, die drei Jahre sollten es Dir ermöglichen, die Grundannahme des Geldmangels zu überprüfen und systematisch sauber darzulegen. (Deine Beispiele zeigen, dass du das bisher versäumt hast. Es ist ein großer Unterschied, ob die Geldmenge zu klein ist oder ob die Stadt Dresden Geld für bestimmte Maßnahmen hat.) Und es sollte Dir auch sehr einfach sein, zu belegen, dass Reiche weniger einfach als Arme einer solchen Geldsteuer entgehen können. Da beides nicht der Fall ist, ist die Beschäftigung mit solchen Hypothesen vielleicht spannend und anregend, allerdings ohne jeden praktischen Wert.

Tammo


Leider bin ich lange Zeit aus Zeitgründen nicht dazu gekommen zu antworten. Da sich die Schwerpunkte Norberts inzwischen verlagert haben, ist dies für mich ein weiterer Grund, diese Diskussion vorerst nicht weiterzuführen. Nur eine kleine Korrektur:
Der Text mit der Aussage:
"Übrigens Norbert: Deine Zinskritik wäre um einiges glaubwürdiger, wenn Du Dein Geld nicht mit dem Vermitteln von Kreditkarten verdienen würdest."
stammt nicht von mir. Ich weiß auch nicht, von wem er stammt.

Uwe


Einige Ergänzungen vom 31.05.2012

  • Es gibt nicht nur den Gewinn aus Zinsen, sondern auch aus anderem Kapitalbesitz (z.B. Vermietung, Produktion). Dieser sollte gleichbehandelt werden.
  • Es ist ein Unterschied, ob Bargeld zu Hause behalten wird oder angelegt wird. In letzterem Fall hat das Bargeld eine andere Person. Der Gläubiger hat aber einen Anspruch auf Rückzahlung, eventuell mit Zinsen bzw. ohne die Abwertung durch die Geldgebühr / Geldsteuer / Umlaufsicherungsgebühr / Liquiditätsgebühr. Aber gerade dadurch entsteht der Zinsgewinn, nicht durch Aufbewahrung von Bargeld.
  • Die Reichtumsumverteilung von unten nach oben liegt am Kapitalbesitz und der damit verbundenen Kapitalvermehrung (Eigenschaft von Kapital). Das können auch Kunstschätze sein. Somit bekämpft die Freiwirtschaft nicht die Umverteilung von den Ärmeren zu den Reicheren.
  • Deshalb sind andere Mechanismen erforderlich, um eine Umverteilung von oben nach unten zu erreichen. Die Möglichkeit, die dem gegenwärtigen System am nächsten steht, ist die Umverteilung über Steuern.
  • Außerdem bieten Menschen in einem Warensystem unterschiedlich begehrte Waren, einschließlich Tätigkeiten, an. Das führt im Regelfall zu Unterschieden im Einkommen und damit zu Abhängigkeiten. Auch dafür wird eine Lösung benötigt. Sonst beginnen die Probleme der ungleichen Verteilung immer wieder von vorn.

Uwe


Haftungs Ausschluss.

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