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AgVisionen: DemokratietextVonUwe


Bild: "Tribal Vision" [http://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/deed.de] von Kibondo
 

5.2.1 Gedanken zur Demokratie

(1. Überarbeitung)

Demokratie heißt Volksherrschaft. Bei uns herrscht aber nicht das Volk. Stattdessen haben die wirtschaftlich Mächtigen über personale Verflechtungen, Erarbeitung von Gesetzen und Argumentationen, Beratertätigkeiten, klassische Lobbyarbeit, Einfluss über die Medien, legale und illegale Parteispenden den entscheidenden Einfluss auf politische Entscheidungen. Hinzu kommt noch Kapital-/Steuerflucht/-hinterziehung, was zur Finanznot des Staates führt. Wir leben somit nicht in einer Demokratie, sondern in einem von der Großwirtschaft beherrschten parlamentarischen System.

Demokratie ist aber verwirklichbar (z.B. Urgesellschaft, Irokesen, Anti-AKW-Aktionen, gegenwärtig existierende Kommunen - Gemeinschaften, vermutlich auch Pariser Kommune). Sie setzt im Wesentlichen Mechanismen zur Konsensfindung und die Fähigkeit und Bereitschaft dazu voraus. Entscheidungen sollten prinzipiell von allen Betroffenen gefällt werden. Wenn eine betroffene Person überhaupt nicht mit einer Entscheidung leben kann, kann sie ihr Veto einlegen. So wird verhindert, dass Entscheidungen auf Kosten irgendeiner Person gehen. Dieses Veto kann z.B. dadurch überwunden werden, dass gemeinsam mit dieser Person Ausgleichsmaßnahmen gefunden werden, so dass diese Person mit der Gesamtentscheidung leben kann. Außerdem wird sich jede Person genau überlegen, wann sie ihr Veto einlegt. Sie braucht auch gelegentlich die Unterstützung anderer Personen. Diese wird sie leichter erhalten, wenn sie auch diese unterstützt. Dazu gehört auch die Akzeptanz von Entscheidungen, die für die anderen Personen wichtig sind. All dies setzt aber einigermaßen gleiche Machtverteilung voraus. Sonst sind Personen mit viel Macht nicht auf die anderen Personen angewiesen. Somit können sie im Allgemeinen ihre Interessen durchsetzen. Umgekehrt sind die Machtlosen sehr häufig auf die Mächtigen angewiesen. Deshalb getrauen sie sich kaum zu widersprechen, selbst wenn ihre Bedürfnisse dadurch sehr eingeschränkt werden.

Die Fähigkeiten zur Konsensfindung können aber gelernt werden. Damit die Leute im praktischen Erlernen dieser Fähigkeiten einen Sinn sehen und deshalb dazu bereit sind, sollte dies in Zusammenhängen geschehen, in denen gemeinsam Lösungen für ein reales Problem gesucht werden. Diese Lösungen sollten dann zumindest schrittweise umgesetzt werden, da sonst leicht die Motivation für das demokratische Verhalten sowohl bei den Beteiligten als auch den unbeteiligten Beobachtenden nachlassen kann. Solche Zusammenhänge können selbstorganisierte Gruppen (z.B. Bürger(innen)initiativen und -bewegungen), aber auch z.B. Planungszellen, Zukunftswerkstätten und Runde Tische sein. Die Konsensfindung setzt aber voraus, dass keine einander entgegengesetzten Interessen bestehen, die sich nicht versöhnen lassen. Somit setzt die Verwirklichung von Demokratie z.B. auch die Veränderung des Wirtschaftssystems voraus. Die schrittweise Verwirklichung von Demokratie verändert aber auch das Wirtschaftssystem (Wirtschaft nicht mehr geldgelenkt, gesellschaftliche Bedürfnisse spielen größere und schließlich entscheidende Rolle: z.B. Auswahl der zu produzierenden Güter, ihrer Mengen, der Verfahren, der Rohstoffe, der Orte, der Mitarbeitenden, der Nutznießenden). Wenn sich die demokratisch organisierten Bereiche ausdehnen, wird dadurch der Staat allmählich überflüssig. Dies wurde bereits von Marx vorausgesagt.

Neben den bereits genannten Demokratieformen existieren noch Demokratievorformen, die verteidigt und ausgebaut werden müssen. So ist es z.B. leichter als z.B. in der DDR, gesellschaftskritische Ideen zu verbreiten, zu sammeln und z.B. bei Demonstrationen kundzutun, trotzdem wird dies auch heute verfolgt. Durch die Eigentumsverhältnisse wird gleichzeitig gesichert, dass hauptsächlich systemstützende Auffassungen vertreten und verbreitet werden. Trotz des vorherrschenden Einfluss der Wirtschaft auf die Politik hat auch das Volk einen geringen Einfluss. Um diesen durchzusetzen ist aber ein großer gesellschaftlicher Druck notwendig. Dazu gehören auch halblegale Methoden (z.B. Kirchenasyl, Sitzblockaden, Greenpeacemethoden). Das Gewaltmonopol des Staates ist zwar gegenüber dem Faustrecht eine zivilisatorische Errungenschaft, in solchen Fällen handelt der Staat aber meist als Interessenvertreter der Mächtigen. Deshalb ist das Gewaltmonopol des Staates perspektivisch durch das des Volkes zu ersetzen. Nur bei Kleinigkeiten reicht ein geringerer gesellschaftlicher Druck aus. Deshalb existiert bei vielen Personen die Meinung, dass alles sowieso keinen Zweck hat, weshalb sie sich nicht oder nur selten engagieren. Da diese Einstellung im Interesse der Mächtigen liegt, wird sie von ihnen gefördert (Nichtverbreitung erfolgreicher Aktionen, Bekämpfung erfolgversprechender Aktionen, Verweis auf legale Möglichkeiten, die meist langweilig und somit abschreckend sind). Durch erfolgreiche Aktionen (siehe oben) kann diese Einstellung bekämpft werden. Gewählte sind den Macht- und Finanzmechanismen unterworfen. Das einzige, was sie tun können, um wirkliche Veränderungen zuzulassen, besteht in der umfassenden Unterstützung von und der Zusammenarbeit mit entsprechenden Basisorganisationen. Außerdem ist die Gewährung von Freiräumen für die Entfaltung der Initiativen sinnvoll. Dazu gehören z.B. die Verbindung gemeinsamer Gesetzesvorlagen mit vielfältigen Protestformen, materielle und propagandistische Unterstützung, die Herstellung von Kontakten und die Umsetzung von Bevölkerungsfragen in kleine Anfragen. Nur so kann außerparlamentarisch und parlamentarisch ein genügend großer Druck erzeugt werden, um den Gegendruck der gegenwärtig Mächtigen zu überwinden. Andernfalls ändern weder Wahlen noch die sonstigen offiziell propagierten Methoden (einschließlich plebiszitärer Elemente) Wesentliches. In diesem Fall prägen die Strukturen die Menschen mehr als die Menschen die Strukturen.

Wirtschaftlich Mächtige haben genug Mittel, damit es vielen bei uns relativ gut geht. Deshalb merken viele nicht, dass ihre Probleme die gleichen Ursachen wie die globalen Probleme haben und deshalb gemeinsam bekämpft werden müssen. Stattdessen lassen sich viele gegeneinander aufhetzen (Teile-und-herrsche-Politik, z.B. Asyldebatte, Beschäftigte - Arbeitslose - Rentner(innen), Beschäftigte aus unterschiedlichen Bereichen, Lehrer(innen) - Eltern). Anders ausgedrückt: Auch eine Reihe von in unserer Gesellschaft Benachteiligten profitieren von der Benachteiligung anderer, insbesondere solchen in weit entfernten Ländern (z.B. billige Rohstoffe und Konsumgüter). Deshalb wollen viele das gegenwärtige System erhalten, um diese Vorteile nicht zu verlieren. Darunter leidet auch die Solidarität zwischen den Benachteiligten. Hinzu kommt, dass das System auch stabilisiert werden kann, wenn es abgelehnt wird. So reicht es z.B. aus, jeweils das Billigste zu kaufen, um über viele Zwischenstufen Ausbeutung aufrecht zu erhalten. Da der Preis leicht zu sehen ist, die Produktionsbedingungen aber nur schwer ermittelbar sind, ist die Kaufentscheidung nach dem Preis sogar naheliegend. So kann es sein, dass eine große Mehrheit für Umweltschutz, gerechte Arbeitsbedingungen, Solidarität usw. ist, aber unbeabsichtigt genau das Gegenteil unterstützt. Prinzipiell kann auf diese Art durch Delegierung von Entscheidungen ein ungerechtes System gesichert werden.

Text: Uwe, Layout: Jörg


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