Einige Gedanken zur Gewaltfrage
Mit der Gewaltfrage hat sich bereits Erich Fried in seinem Gedicht zur Gewalt (z.B.
http://www.nadir.org/nadir/kampagnen/13-10/gewalt.htm,
http://www.zottel.org/gedichte/fried30.html,
http://www.anarchismus.at/fried.htm,
http://helena.ludwig.name/Gedichte%20Seiten/ErichFried/die_gewalt.htm,
http://land.heim.at/waldviertel/240060/welttaggewaltfrauen.htm) und jener Göttinger Mescalero nach dem Buback-Attentat (z.B.
http://www.uni-mainz.de/~franz/vda/proj1968/ueberreg/doku/mescale.htm,
http://home.t-online.de/home/333200000069-3/11wh-mes.htm,
http://www.extremismus.com/terror/rafdox-c.html,
http://www.partisan.net/infopartisan/document/buback.html,
http://www.glasnost.de/hist/apo/77buback.html) beschäftigt.
Auch ich weiß, dass Gewalt zuerst von den politisch und wirtschaftlich Herrschenden ausgeht. Wer schon mal die gewaltsame Unterdrückung friedlicher Proteste bei einem Gipfeltreffen oder bei einem Castor-Transport erlebt hat, kann das bestätigen. Außenpolitisch sind die Überfälle auf Jugoslawien, Afghanistan und den Irak Beispiele. Menschen, die entschieden gegen Krieg sind, werden als totale Kriegsdienstverweigerer teilweise mehrere Jahre bzw. wegen friedlichem Eindringen in Militärbasen teilweise einige Wochen eingesperrt. Ähnlich kann es Menschen gehen, die gegen Atomenergie bzw. Autobahnbau friedlich, aber wirksam protestieren wollen. Weiterhin werden Menschen eingesperrt, nur weil sie einen Asylantrag gestellt haben (Abschiebegefängnisse, Flughafenverfahren) bzw. Flüchtlinge uneigennützig unterstützt haben. Oppositionelle und Muslime werden im Rahmen des sogenannten "Anti-Terror-Kampfes" verfolgt. Wenn BGS-Beamte und bundesdeutsche Politiker für die Tötung von Flüchtlingen nicht bestraft werden, weshalb werden dann DDR-Grenzsoldaten und -Politiker für den gleichen Sachverhalt eingesperrt? Von struktureller Gewalt, wirtschaftlichem Druck auf sozial Schwache, Verunglimpfung von Benachteiligten usw. habe ich noch gar nichts geschrieben.
Außerdem lehne auch ich Gegengewalt gegen diese herrschende Gewalt ab. Darunter verstehe ich aber nicht Blockaden, Besetzungen und ähnliche "Greenpeacemethoden", sondern z.B. Morde, Zerstörung um der Zerstörung willen usw. Einerseits nutzen die Herrschenden dies aus, um ihre wesentlich brutalere Gewalt zu rechtfertigen. Außerdem wollen wir ja eine bessere Gesellschaft errichten und nicht nur einen Austausch der Herrschaft erreichen. Deshalb dürfen wir nicht die Methoden nutzen, die wir bei den Herrschenden bekämpfen. Wer Gewalt eingeübt hat, kann sie selbst nach einem Erfolg nicht einfach ablegen.
Jedoch kann ich verstehen, wenn andere Personen und Gruppen diese Frage anders entscheiden.
Regelrechte Hochachtung habe ich z.B. vor den Zapatistas. Sie nutzen zwar Waffen. Aber sie wollen nicht militärisch siegen. Sie hatten beobachtet, dass sie ohne Waffenbesitz und die Bereitschaft, diese auch anzuwenden, nicht gehört wurden. Also nutzten sie die Waffen, um auf sich und ihre Forderungen aufmerksam zu machen. So erkämpften sie sich die Möglichkeit, ihre Vorstellungen in ihrem Gebiet teilweise umzusetzen. Gleichzeitig zwangen sie die Herrschenden zur Verhandlung. Aber die Herrschenden versuchen ständig, diese Fortschritte politisch und militärisch rückgängig zu machen. Die Zapatistas wehren sich dagegen eher mit der internationalen Öffentlichkeit als mit ihren Waffen. Aus all diesen Gründen befürworte ich ihre Widerstandsstrategie gegen die massive Gewalt der Herrschenden.
Andere Personen, die bei Gipfeltreffen Gegengewalt anwenden wollen, erklären, dass die Medien nur berichten, wenn sie Gegengewalt anwenden. So wollen sie erreichen, dass die Medien auch über die inhaltlichen Forderungen der Protestierenden berichten. Leider haben sie insofern recht, dass die Medien tatsächlich lieber über Gewalttaten als über gewaltfreien Protest berichten. Allerdings bezweifle ich, dass mit solchen Aktionen der Gegengewalt die Möglichkeiten zur Verbreitung der eigenen Ziele in der Öffentlichkeit größer werden. Außerdem ist solche Form der Gegengewalt aus den genannten Gründen schädlich.
Die Herrschenden versuchen, mit der Gewaltfrage einen Keil zwischen die verschiedenen Oppositionsgruppen zu treiben. Außerdem wollen sie so von ihrem wesentlich massiveren Gewalteinsatz ablenken. Gegen diese Strategie sollte Widerstand geleistet werden. Auf Fragen nach dem Verhältnis zu gewaltbereiten Protestierenden sollte zuerst auf die Gewalt der Herrschenden verwiesen werden. Ich würde anschließend wie oben begründen, warum ich Gewalt ablehne. Mit den gewaltbereiten Protestierenden sollte zuerst geklärt werden, ob wir das Ziel einer Verbesserung der Gesellschaft teilen. Wenn das der Fall ist, kann über geeignete Mittel geredet werden. Eine von oben verordnete Abgrenzungsstrategie lehne ich ab. Dies schwächt nur den Widerstand. "Ob friedlich oder militant, wichtig bleibt der Widerstand." Sollten wir aber selbst merken, dass es keine gemeinsamen Ziele gibt, sollten dies auch klar gesagt werden.
Uwe
Erklärung der Pressesprecherin Frauke Distelrath von Attac Deutschland zu "G8-Proteste: Attac und die Gewaltfrage"
Frage-Anwort-Katalog als Hilfestellung für G8-Aktive im Umgang mit Medien
Allgemein
Als Antwort auf die Frage von MedienvertreterInnen nach dem Verhältnis von Attac zu Gewalt hat sich folgender Dreiteiler bewährt:
- Grundsätzlich:
"Es gibt einen klaren Konsens bei Attac: Attac ist friedlich, von Attac-Aktionen geht keine Gewalt aus."
- Wenn dann die Frage kommt, wie Attac sich zu anderen ProtestteilnehmerInnen verhält, von denen Gewalt ausgeht:
"Was meinen Sie mit Gewalt? Sitzblockaden etwa sind keine Gewalt, sondern eine Ordnungswidrigkeit wie Falschparken. Das hat das Bundesverfassungsgericht klar festgestellt. Attac ruft aus rechtlichen Gründen nicht zu Blockaden auf; es gibt aber viele einzelne Attac-Mitglieder, die Sitzblockaden vorbereiten und sich an ihnen beteiligen werden."
- Wenn dann die Frage nach "echter Gewalt" (Steineschmeißen) und Anschlägen kommt:
"Ja, wir machen uns Sorgen über Gewalt bei den G8-Protesten. Es ist belegt, dass bei den G8-Protesten in Genua die Gewalt von der Polizei ausging und so eine Spirale in Gang gesetzt wurde. Wir gehen davon aus, dass die deutsche Polizei sich in Rostock friedlich verhalten und das demokratische Recht auf freie Meinungsäußerung respektieren wird. Im Übrigen können wir nicht für andere sprechen und Verantwortung für ihr Verhalten übernehmen. Die ganz große Masse der Demonstranten wird sich friedlich verhalten. Dass die geplanten Proteste gegen den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm meist im Zusammenhang mit erwarteten Gewalttaten diskutiert werden, dient manchen Politikern und Polizeivertretern dazu, den gesamten demokratischen Protest gegen die G8 zu diskreditieren."
Nach einem konkreten Ereignis
Schwieriger wird es, wenn nach einem konkreten Vorfall die Frage kommt "Distanzieren Sie sich von ...?" In diesem Fall ist es wichtig, die Antwort von der konkreten Situation abhängig zu machen und vorab immer zu klären, ob es wirklich um Gewalt geht. Es ist aus meiner Sicht ein riesengroßer Unterschied, ob Farbbeutel geworfen, Autos abgefackelt, Steine in Fensterscheiben oder auf Menschen geschmissen werden.
Hier drei Vorschläge:
- Farbbeutel:
"Attac ist - wie gesagt - friedlich. Wir sind gegen Gewalt, deshalb engagieren wir uns für eine friedliche Welt, in der sich nicht die einen auf Kosten der anderen bereichern. Millionen Menschen in Hunger und Elend zu treiben, wie es die G8 mit ihrer Politik tun, ist Gewalt. Farbbeutel zu werfen ist nicht Stil von Attac, unsere Aktionen sind in der Regel phantasievoller. In diesem Zusammenhang von Attentaten zu sprechen, halte ich aber für extrem unverhältnismäßig."
- Autos abfackeln und Steine in Scheiben:
"Attac ist - wie gesagt - friedlich. Wir sind gegen Gewalt, deshalb engagieren wir uns für eine friedliche Welt, in der sich nicht die einen auf Kosten der anderen bereichern. Millionen Menschen in Hunger und Elend zu treiben, wie es die G8 mit ihrer Politik tun, ist Gewalt. Wut ist angesichts dieser Gewalt ein angemessenes Gefühl. Attac ist dennoch der Ansicht, dass es nicht sinnvoll ist, Steine in Fensterscheiben zu werfen oder Autos anzuzünden. Leider zeigt die Erfahrung, dass militante Aktionen und Randale die Aufmerksamkeit der Medien in besonderem Maße auf sich ziehen. Wir appellieren daher auch an die Verantwortung der Medien, sich in ihrer Berichterstattung nicht ausschließlich auf spektakuläre Bilder von gewalttätigen Auseinandersetzungen zu konzentrieren, sondern dem ganz überwiegend friedlichen Protest und der inhaltlichen Kritik an den G8 angemessen Raum zu geben."
- Steine auf Menschen etc:
"Attac ist - wie gesagt - friedlich. Wir sind gegen Gewalt, deshalb engagieren wir uns für eine friedliche Welt, in der sich nicht die einen auf Kosten der anderen bereichern. Millionen Menschen in Hunger und Elend zu treiben, wie es die G8 mit ihrer Politik tun, ist Gewalt. Wut ist angesichts dieser Gewalt ein angemessenes Gefühl. Gegengewalt ist aber keine Lösung; Attac lehnt es klar ab, Menschenleben zu gefährden. Leider zeigt die Erfahrung, dass militante Aktionen und Randale die Aufmerksamkeit der Medien in besonderem Maße auf sich ziehen. Wir appellieren daher auch an die Verantwortung der Medien, sich in ihrer Berichterstattung nicht ausschließlich auf spektakuläre Bilder von gewalttätigen Auseinandersetzungen zu konzentrieren, sondern dem ganz überwiegend friedlichen Protest und der inhaltlichen Kritik an den G8 angemessen Raum zu geben."
ins Internet gestellt von Uwe
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