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AgVisionen: B2008-02

WARUM GLAUBE UND NATURWISSENSCHAFT ZUSAMMENGEHÖREN

Mein Widerspruch gegen den ahnungslosen "Gotteswahn" des Biologen Richard Dawkins
Nachdenklicher Kommentar für Februar 2008 von Siegfried Böhringer

Das neue Buch des britischen Biologen Richard Dawkins ("Der Gotteswahn") könnte man ignorieren, wenn es nicht als Bestseller so viel Interesse gefunden hätte, und wenn es sich bei Dawkins nicht um einen weltweit angesehenen Evolutionsforscher handeln würde. Lohnende Erinnerungen an sein Werk sind auch in diesem Buch aufzufinden in den Abschnitten zum Beispiel über die Bedingungen der Lebensentstehung im Universum S.188, über die "egoistischen Gene" (seine eigene Theorie) S.298, und über die Grenzen menschlicher Wahrnehmung der Wirklichkeit (die "evolutionäre Erkenntnistheorie") S.502. Auch ist sein "humanistisches" Eintreten für Friede, Gewaltlosigkeit und Freiheit des Geistes in der Nachfolge der großen Vorkämpfer Albert Einstein und Bertrand Russell aller Achtung wert. Gerade in Theologie und Kirche wäre noch viel zu lernen und umzudenken, wenn die von Dawkins (nicht nur von ihm) so leidenschaftlich vertretene Wahrheit der Evolution als rein naturhafte Entwicklung des Lebens (auch des menschlichen Lebens einschließlich seiner Religiosität) ernster genommen würde. So schließt sich auch Dawkins den beiden von ihm zitierten Bekenntnissen an: "Gott muß größer sein, als wir uns träumen ließen. - Eine Religion, die die Größe des Universums im Sinne der modernen Wissensschaft betont, könnte wahrscheinlich auf wesentlich mehr .. Ehrerbietung hoffen als die herkömmlichen Glaubensrichtungen." (Carl Sagan) Und: "Das Wissen um die Existenz des für uns Undurchdringlichen, die Manifestationen tiefster Vernunft und leuchtendster Schönheit (unserer Vernunft nur in ihren primitivsten Formen zugänglich), dies Wissen und Fühlen macht wahre Religiosität aus." (Albert Einstein) Daß er sich selbst dennoch als "Atheisten" bezeichnet, ist seine Sache. (Diese Zuschreibung hat er törichterweise einfach von den amerikanischen Kreationisten übernommen. Immerhin gibt es von ihm einen Aufsatz mit dem Titel "Atheisten für Jesus".)

Mein Seufzer: Wäre Richard Dawkins doch als Biologe und Humanist bei der Sache, von der er etwas versteht, geblieben (als "Schuster bei seinem Leisten"), so hätte sein Werk ein wichtiger Beitrag sein können zur weltweiten, weitgehend aus dem von ihm verpönten Gottesglauben gespeisten Friedensbewegung unserer Zeit. Dies hat er sich verscherzt durch die bereits im Titel seines neuen Buches sichtbare pauschale Verteufelung jeder Gläubigkeit mit diesen abwegigen Behauptungen: Die Naturwissenschaftler (und naturwissenschaftlich Gebildeten) seien allesamt Atheisten und würden es nur aus "Kriecherei" vor der herrschenden Meinung nicht zugeben / Der Gott der Bibel (besonders des Alten Testamentes) sei nichts anderes als ein "blutrünstiger Tyrann" / Die abergläubischen kirchlichen Dogmen würden bereits den kleinen Kindern wie ein Virus eingeimpft / Die Religionen seien die eigentlichen, gar einzigen Ursachen von Gewalt, Krieg und Terror (als ob es im Christentum nichts anderes gäbe als die von Dawkins mit Recht angeprangerte Kriegsideologie des George Bush, im Islam nichts anderes als die Terror-Ideologie des Bin Laden) / Die edleren Formen von Religiosität und Theologie (wie bei Paul Tillich oder Dietrich Bonhoeffer) könne man vergessen, weil sie zahlenmäßig nicht ins Gewicht fallen / Die Religion könne zwar menschliche Grundbedürfnisse befriedigen (etwa nach Erklärung, Ermahnung, Trost und Inspiration) aber nur bis zum Augenblick der "Desillusionierung". Entscheidend für Dawkins’ Kritik der Religion ist die Behauptung ihrer Unwahrheit. Die Existenz eines in der kosmischen Realität als alles bestimmende "Handlungsinstanz" gegenwärtigen Gottes, der das Universum erschuf und total kontrolliert, sei so unwahrscheinlich wie die (von Russell ins Spiel gebrachte) Existenz einer Teekanne in einer entfernten Umlaufbahn um die Sonne. (Oder des gleichartigen "Fliegenden Spaghettimonsters") Es scheint, daß Dawkins sich kein andereres Bild eines Schöpfergottes vorstellen kann. Glücklicherweise gibt es auch (was Dawkins total ignoriert) viele besonnenere Naturwissenschaftler, für eine menschliche Welt engagierte Theolog/innen, Glaubensgruppen und Kirchen, und eine starke Bewegung der "Religionen für den Frieden".

Damit rechnet mit hoffendem Blick auf die kommende Zeit und grüßt herzlich Siegfried Böhringer.

(36) Die wahre Wirklichkeit Gottes:

Naturwissenschaftlich weder nachweisbar noch widerlegbar, weil sie nichts Gegenständliches im Universum darstellt und doch alles Kosmische und Irdische trägt und umfasst: in einem machtlosen, unfaßbaren Hintergrund von allem, was ist, immer auf der Seite der Machtlosen zu finden, und allem Seienden gegenüber freilassend, sorgend, leidend, hoffend, aufbewahrend. ...

Daher konnte Dietrich Bonhoeffer sagen "Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht" und Paul Tillich nicht vom nachweisbaren, aber vom offenbaren (auf ganz andere Weise wirklichen) Gott sprechen als vom "ganz Eigenen, das mich unbedingt angeht" in den folgenden nicht leicht faßbaren und doch für unser Verständnis von Welt, Mensch, Gott so bedeutsamen Sätzen: "Ist das, was offenbar wird, das ganz Eigene, so ist es das, was mich unbedingt angeht. - Es gibt keinen Ort, von dem aus man das Unbedingte anschauen könnte; es würde dadurch bedingt werden, Objekt werden, es würde aufhören, das unbedingt Eigene zu sein, das, worin unser Sein wurzelt." Hier hätten wir alle wohl noch viel zu lernen und umzulernen - nicht nur ahnungslose Naturwissenschaftler wie Dawkins, die sich (fälschlicherweise) Atheisten nennen.
Haftungs Ausschluss.

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